Landverluste im Toilettenkrieg

Der Bulgare Weselin Topalow kann zwar das Schachturnier der Weltelite im niederländischen Wijk aan Zee vor seinem russischen Dauerrivalen Wladimir Kramnik gewinnen. Aber er gilt nun auch als Manipulator am Brett

BERLIN taz ■ Am Schachbrett missachteten sich die Rivalen: Weltmeister Wladimir Kramnik und der Weltranglistenerste Wesselin Topalow schienen Luft füreinander zu sein. Nach der Toiletten-Affäre bei der WM im kalmückischen Elista verweigerten die beiden Schachgenies bei der ersten Revanche in Wijk aan Zee den obligatorischen Handschlag vorm ersten Zug. Die mit Spannung erwartete Partie verlief konträr zum sonstigen Geschehen abseits der 64 Felder: langweilig. Nach 49 Zügen war das Remis unausweichlich und beide Großmeister froh, dass sich die Wege ohne sportlichen Gesichtsverlust wieder trennten.

Wie schon bei der WM-Titelvereinigung in Russland sorgte Topalows Lager in dem niederländischen Küstenörtchen erneut für die Schlagzeilen. Ungeachtet des negativen Echos, das dem 31-Jährigen wegen der Behauptung, Kramnik habe auf dem Klo ein Schachprogramm benutzt, entgegenhallte, legte er einmal mehr nach. Ausgerechnet einen Tag vor dem Duell mit Kramnik präsentierte Topalow in Wijk das Buch „Toilettenkrieg“. Zu den unrühmlichen Höhepunkten des Machwerks seines Pressesprechers Schiwko Gintschew gehört eine Fotomontage, die einen Toilettensitz zeigt, vor dem ein Laptop und ein Telefon installiert sind.

Massive Vorwürfe ereilten den Wahl-Spanier aber auch selbst: Wie bei seinem WM-Sieg 2005 soll er in Wijk aan Zee mit Computern betrogen haben. Journalist Martin Breutigam beobachtete bei dem Topturnier Topalows Manager, wie er vermeintlich Zeichen an seinen Schützling übermittelte. Laut dem Bericht der der SZ verschwand Silvio Danailow regelmäßig in den ersten Runden nach Zügen der Gegner, um mit dem Handy zu telefonieren. Anschließend sei er in dieselbe 15 Meter entfernte Ecke und in den Blickwinkel Topalows zurückgekehrt, um Signale zu geben.

Gegen Ende des Turniers in Wijk ließ Topalow deutlich nach. In der elften der 13 Runden kassierte der Ex-Weltmeister sogar seine einzige Niederlage gegen den Russen Peter Swidler – ein Schachprogramm hätte die zwischenzeitlich erreichte Gewinnstellung sicher verwertet. Trotz dieses Patzers wurde der Weltranglistenerste geteilter Turniersieger: Neben ihm sammelten der in Berlin lebende Armenier Lewon Aronjan und der 19-jährige Aserbaidschaner Teimour Radjabow 8,5:4,5 Punkte. Der frisch vermählte Kramnik, der vor einem Monat mit einer Journalistin des Figaro Hochzeit feierte, kam mit einem halben Punkt Rückstand nur auf Platz vier. Dank seines Sicherheitsschachs verlor er zwar wie Aronjan keine Partie, remisierte jedoch in zehn der 13 Duelle. Dafür triumphierte Kramnik an anderer Stätte: Der Schach-Weltverband Fide beschloss am Wochenende, dass der Russe vor der Wektmeisterschaft in Mexiko City im September kein Revanchematch mehr in Sofia spielen muss. Topalow sagte in Wijk aan Zee: „Hier geht es um eines der prestigeträchtigsten Turniere der Welt, aber Platz eins bringt mir nicht meinen WM-Titel zurück.“ HARTMUT METZ