Das Migrantentum immer im Schlepptau

„The Home Song Stories“ von Tony Ayres (Panorama) verfolgt den Niedergang einer chinesischen Sängerin in Australien

Die Entscheidung ist schnell gefallen. Ein gewinnendes Lächeln, verliebte Blicke, ein paar gemeinsame Drinks in einem Hongkonger Rotlichtetablissement – und schon hat sich die Sängerin Rose Hong (Joan Chen) mit einem Marineoffizier verheiratet, der sie in seine Heimat nach Australien bringt. Immer im Schlepptau: Hongs sechsjähriger Sohn Tom und seine große Schwester May.

Doch die Liebe hat im australischen Provinzmuff der frühen Sechzigerjahre keinen Bestand. Wieder zögert Hong nicht lange, verlässt ihren Mann nach ein paar Wochen, um sich in Sydney eine Arbeit zu suchen. Sie wird Küchenhilfe in einem Chinarestaurant, fängt eine Affäre mit einem Koch aus der chinesischen Community an und landet schließlich mit den Kindern und dem Lover in einer Bretterbude – immer in Angst, die Ausländerpolizei könnte den illegal eingewanderten jungen Mann aufspüren und ausweisen.

Kaum merklich färbt sich in Tony Ayres Film „The Home Song Stories“ das Leben blau ein. Für Hong führt der Weg der Migration beständig nach unten: Erst gefeierte Nachtclubsängerin, dann Hausfrau, dann Putze – der 1962 geborene, selbst chinesischstämmige Ayres nimmt sich einiges an Zeit, um den Niedergang nachzuzeichnen. Für das, was sich in Hongs Psyche abspielt, reichen ihm Äußerlichkeiten: Wie die unnahbare Frau zu Beginn noch im geschlitzten Qipao-Kleid durch schwelgerische Panorama-Aufnahmen von staubigen Straßen stolziert, ganz fremde asiatische Schönheit. Und wie sie mit jeder Einstellung immer mehr von ihrer Schminke, vom Schmuck und überhaupt von allem exotischen Zauber ablegt, bis sie zuletzt auf dem Boden der australischen Realität aufschlägt – ein bleiches Gespenst, hilflos im Krankenbett nach einer Überdosis Schlaftabletten.

Dabei ist sie nicht die einzige in der Familie, die Schluss machen will in der Fremde: Hongs Tochter wünscht sich ebenfalls den Tod, weil sie hoffnungslos in den Freund der Mutter verliebt ist. Nur der kleine Tom will nicht aufgeben, büffelt wie blöd für die Schule und lässt sich vom Argwohn seiner Klassenkameraden nicht entmutigen. Viel liegt Ayres an dieser Zwiegespaltenheit, weil sie ein Spiegel der Verhältnisse ist: Während auf der einen Seite die Unfähigkeit, sich zu integrieren, alle Identität zerstört, wächst sie bei dem Jungen gerade im Willen zur Integration. Dass Ayres diese Dialektik der Migration so empfindsam, auch gefühlsnah nacherzählt, hat private Gründe: „Home Song Stories“ ist seine eigene Familiengeschichte. HARALD FRICKE

„The Home Song Stories“. Regie: Tony Ayres. AUS 2007, 103 Min., 10. 2., 22.45 Uhr, Cinestar; 11. 2., 14.30 Uhr, Cubix; 12. 2., 22.30 Uhr, Cubix.