Die Kraft der Ecke

40 Bauwerke hat Heinz Emingholz für „Schindlers Häuser“ (Forum) abgefilmt. Gelungen ist dabei weit mehr als ein bewegtes Coffee-Table-Book

Das nennt man wohl Dialektik. Mit Bruce Goff hatte der Filmemacher Heinz Emigholz vor vier Jahren einen vergessenen US-Architekten porträtiert, weil er quer zur europäischen Moderne stand. Und nun folgt „Schindlers Häuser“: ein Reigen aus 40 Bauwerken, die der von Wien nach Amerika emigrierte Adolf-Loos-Schüler Rudolph M. Schindler zwischen 1921 und 1952 fertig stellte, vor allem Einfamilienhäuser im Großraum Los Angeles. In vielen Dingen ist Schindler, der jegliche Materialien von Glas bis Stahl allein als bauliche Hilfsmittel ohne ästhetischen Eigenwert verstand, ein Gegenentwurf zu dem offen ornamentverliebten Goff. Aber dann gibt es doch Gemeinsamkeiten: Beide lehnten die Standardisierungen des Bauhaus ab, deshalb sind sie Emigholz gleichermaßen sympathisch.

Wie die Vorgängerfilme „Sullivans Banken“ (2001) oder „Goff in der Wüste“ (2003) läuft Emigholz’ Auseinandersetzung mit Schindler unter dem Stichwort „Architektur als Autobiografie“. Mit kurzen Kameraeinstellungen werden die Häuser ihrer Entstehung nach chronologisch abgewandert, von schnell geschnittenen Außenaufnahmen hinein ins Wohnzimmer, an innenarchitektonischen Details entlang und wieder hinaus, in den Garten oder auf die Straßen von Hollywood. Denn die meisten der Schindler-Häuser liegen in wohlhabenden Gegenden, während sie damals quasi noch in kalifornisches Ödland gebaut wurden.

Dieser demografische Wandel macht Schindlers Häuser in ihrem urbanen Umfeld für Emigholz interessant, zumal er Architektur als „anonyme Autorschaft der Gesellschaft“ versteht, wie eine Off-Stimme zu Beginn des Films erklärt. Danach ist man allerdings mit den Villen allein, nur ab und zu rauscht der nahe Pazifik oder Vögel zwitschern aufgeregt in einer Palme.

Dass der Film kein bewegtes Coffee-Table-Book ist, liegt an der Montage. Verblüffend hart werden Perspektiven gekontert, schlägt eine als Festung erscheinende Mauer in das Bild erlesen eingerichteter Interieurs um. Dann wieder fängt Emigholz den Zauber der Eleganz ein, der eben auch von Schindlers Entwürfen ausgeht, wenn er die Fülle an räumlichen Fluchtpunkten noch innerhalb des kleinsten Zimmers aufzeigt. Das Auge wandert von einem Ausguck aufs Meer an einem Paravent vorbei und wird durch eine offene Tür auf die Terrasse entlassen. Besser kann man nicht in Bilder fassen, wie Schindlers Konzept für das Ineinanderwirken von innen und außen aussah.

Doch als Gast achtet man ohnehin eher auf dekorative Lampen als auf die ungewöhnlich abgestufte Deckenhöhe. Und sucht neugierig nach den Besitzern, die heute in den oft über 70 Jahre alten Häusern wohnen. Sie fehlen, wie schon in den früheren Arbeiten von Emigholz. Es bleibt bei Mutmaßungen: Für Manager stehen zu viele Bücher in den Regalen, für Filmstars sind die Gemälde an den Wänden zu geschmackvoll. Es müssen wohl Psychiater sein. HARALD FRICKE

„Schindlers Häuser“. R.: Heinz Emigholz. Österreich, 2006. 99 Min.; 13. 2., 16.30 Uhr, Delphi; 14. 2., 14.45 Uhr, Cinestar; 16. 2., 20 Uhr, Colosseum; 17. 2., 10.30 Uhr, Arsenal.