„Abriss für G-8-Gipfel ist schändlich“

Der Chef der Stiftung Denkmalschutz, Gottfried Kiesow, kritisiert die Investoren des G-8-Hotels in Heiligendamm

Im Grand Hotel in Heiligendamm treffen sich im Juni die acht mächtigsten Staatschefs der Welt zum G-8-Gipfel. Das Hotel und die so genannte Perlenkette – ein Ensemble von sieben historischen Strandvillen – in dem Ostseebad gehören zum Immobilienimperium des Investors Anno August Jagdfeld und seiner Fundus-Gruppe. Trotz Protesten vor Ort lässt Fundus mehrere der klassizistischen Häuser abreißen. Kürzlich behauptete die Fundus-Gruppe, der Chef der Stiftung Denkmalschutz, Gottfried Kiesow, habe das Vorhaben befürwortet.

taz: Herr Kiesow, weil in Heiligendamm eine Pressetribüne für den G-8-Gipfel entstehen soll, wird dort eine historische Villa abgerissen. Zwei weitere Häuser sollen folgen. Die Investoren sagen, Sie heißen das gut.

Gottfried Kiesow: Falsch. Die Fundus-Gruppe verbreitet Unwahrheiten. Ich habe dem Abriss einer Villa für den G-8-Gipfel nie zugestimmt. Auch nicht dem der anderen zwei Häuser, die von der Denkmalbehörde Mecklenburg-Vorpommerns leider zum Abriss freigegeben wurden. Ich bin sauer, dass mein Name mit diesen schändlichen Taten in Verbindung gebracht wird.

Aber Sie haben im Januar 2005 doch mit dem Fundus-Chef Anno August Jagdfeld über diese Häuser gesprochen, oder?

Nein, wir haben über die vier anderen Villen der so genannten Perlenkette gesprochen. Denn die wollte Herr Jagdfeld auch noch abreißen lassen.

Tatsächlich? Wieso?

Um sie etwas größer wieder aufbauen zu lassen. Er wollte die Villen nämlich gern unterkellern und sechs Wohnungen darin unterbringen, und das geht bei den Häusern in der derzeitigen Größe einfach nicht. Um diese Katastrophe zu verhindern, habe ich ihm die Hilfe der Stiftung Denkmalschutz angeboten. Unsere fachmännische Sanierung sollte für ihn nicht teurer werden als ein Abriss der Häuser.

Und hat er zugestimmt?

Das Sanieren der Häuser sollen seine eigenen Leute übernehmen. Er hat aber versprochen, sich dabei an unsere Empfehlungen zu halten.

Glauben Sie ihm?

Ich habe wohl kaum eine Wahl. Fest steht: Bei unseren Handwerkern weiß ich, dass sie alte Häuser fachgerecht restaurieren können. Bei Herrn Jagdfelds Leuten weiß ich es nicht. Restaurieren ist eine Handwerksarbeit und keine Fabrikarbeit. Mit Großbetrieben, wie sie viele Bauherren beschäftigen, ist das nicht zu machen.

Hätte man die abgerissene Villa Perle noch retten können?

Natürlich hätte man das können. Ich kann die Argumentation von Fundus nicht nachvollziehen. Sie sagen, die Villa hätte abgerissen werden müssen, weil sie zu DDR-Zeiten umgebaut wurde. Aber wenn Jagdfeld sie originalgetreu wieder aufbauen will, muss er den alten Grundriss doch ohnehin wiederherstellen. Warum restauriert er nicht die echte Villa, anstatt eine Kopie zu machen? Da läuft die Diskussion im Kreis, das ist absurd. Für die anderen zwei Häuser, die abgerissen werden sollen, gilt das gleiche.

Wenn das für Sie als einer der wichtigsten Denkmalexperten klar ist, warum hat dann die Landesdenkmalbehörde in Schwerin anders entschieden?

Ich vermute, dass es politischen Druck gab. Das passiert einem Denkmalschützer dauernd. Ich habe das in meiner über 50-jährigen Tätigkeit Dutzende Male erlebt. Man darf dann keine Angst vor den Mächtigen zeigen. Ich hätte mir gewünscht, die Behörde in Schwerin hätte die Häuser in Heiligendamm nicht aufgegeben. Als Denkmalschützer ist man der Pflichtverteidiger des Denkmals, den Richter spielen die Politiker. Sie fällen vernichtende Urteile, aber nicht wir.

Eine Minderheit der Denkmalschützer in Mecklenburg-Vorpommern kämpft noch für den Erhalt von Heiligendamm. Ist das aussichtslos?

Auf keinen Fall. Denkmalschutz ist immer Kampf. Wenn wir uns einfach dem Einfluss der Politik beugen würden, dürften wir allerhöchstens noch die Fachwerkhäuschen von ein paar alten Omas in verlassenen Seitenstraßen bewahren.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ