portrait
: Der Rebell von New Hollywood

In den 70er-Jahren war Paul Schrader der Wildeste unter den jungen Wilden von New Hollywood, übertroffen allenfalls von John Milius, der das Drehbuch zu „Apocalypse Now“ verantwortete und wie Schrader eine Vorliebe für großkalibrige Waffen hatte. Glaubt man Peter Biskind, dem Autor, der mit „Easy Riders, Raging Bulls“ die Chronik New Hollywoods verfasste, war Schrader in diesen Jahren eine wandelnde Zeitbombe. Darin glich er seiner bekanntesten Figur, dem amoklaufenden Taxifahrer Travis Bickle aus Martin Scorseses „Taxi Driver“ von 1976.

Aufgewachsen in einem streng calvinistischen Elternhaus, hatte er noch Jahre später unter der repressiven Erziehung zu leiden. Über seine Jugend hat er einmal gesagt, dass alles, was er und sein Bruder tun mussten, um gegen die Eltern zu rebellieren, ein Kinobesuch gewesen sei. Seinen ersten Film hat Schrader 1964 gesehen, als er 18 war. Später schrieb er eine der schönsten Filmanalysen überhaupt, „Transcendental Style in Film“. Darin widmete er sich den Ausdrucksformen des Heiligen in den Filmen von Ozu, Dreyer und Bresson.

Schraders eigene Filme haben nie zu solch einer transzendentalen Kraft gefunden, seine Figuren standen immer unter Druck – ob sozialem, ökonomischem oder sexuellem. Richard Pryor in „Blue Collar“ (1978) als Fließbandarbeiter in einer Detroiter Autofabrik, George C. Scott auf der Suche nach seiner Tochter im kalifornischen Porno-Milieu („Hardcore“, 1979) oder Nastassja Kinski in dem enttäuschenden „Cat People“ (1982). Anfang der 80er, nach dem düster-slicken „American Gigolo“ und dem Drehbuch zu Scorseses „Raging Bull“ (beide 1980), gehörte Schrader für kurze Zeit zu den Topleuten Hollywoods. Doch dann ging es bergab. „Mishima“ (1985) war ein ambitionierter Fehlschlag und die US-amerikanische Öffentlichkeit 1988 noch nicht reif für Patty Hearst, als Schrader den gleichnamigen Film drehte. In mancher Hinsicht ist er in Hollywood eine tragische Figur. Ein Überlebender der letzten einflussreichen Filmemachergeneration, dem nie der nötige Respekt gezollt wurde.

Zu oft standen ihm dabei seine eigenen Obsessionen im Weg. Auf seine besten Filme folgten Flops; Schrader war nie ein Publikumsliebling. Sein größtes Desaster erlebte er vor zwei Jahren. Ihm wurde das schon abgedrehte Prequel zu „The Exorcist“ vom Studio weggenommen, sein Name durch den Action-Handwerker Renny Harlin ersetzt, der 90 Prozent des Films neu drehte. Einem anderen hätte eine solche Demütigung vielleicht das Rückgrat gebrochen. Aber Schrader macht weiter. Sein neuer Film, „The Walker“, läuft außer Konkurrenz im Wettbewerb der Berlinale. ANDREAS BUSCHE