Urteil zugunsten eines Diktators

Der faschistische Militärmachthaber und rumänische Hitlerverbündete Ion Antonescu wird teilweise juristisch reingewaschen. Die Republik Moldau legt Protest ein

BERLIN taz ■ Das Appellationsgericht in Bukarest hat den 1946 hingerichteten faschistischen rumänischen Militärdiktator Ion Antonescu teilweise rehabilitiert und den Anklagepunkt „Verbrechen gegen den Frieden“ für null und nichtig erklärt. Zusammen mit Antonescu wurden 22 seiner Mitarbeiter im gleichen Anklagepunkt freigesprochen.

Antonescu und seine engsten Mitarbeiter aus dem Staats-, Militär- und Polizeiapparat wurden 1946 wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden und gegen die Menschlichkeit zu unterschiedlichen Strafen verurteilt. Das Verfahren wurde von den Alliierten der Antihitlerkoalition gebilligt und folgte dem Modell der Nürnberger Prozesse.

Nach der Wende von 1989 forderten rumänische Nationalisten eine Rehabilitierung Antonescus, den sie als nationalen Patrioten darstellten. Dabei wurden die von ihm verübten Verbrechen als notwendige Maßnahmen zum Schutz der territorialen Integrität Rumäniens verniedlicht.

Unter Antonescu beteiligte sich Rumänien an der Seite Deutschlands am Zweiten Weltkrieg. Die Teilnahme am Überfall auf die Sowjetunion 1941 begründete er mit der Notwendigkeit der Wiedereingliederung der östlichen Provinzen, Bessarabiens und der Nordbukowina, die 1940 von der UdSSR besetzt wurden. Die rumänischen Gebietsabtrennungen sowie die Aufteilung Polens wurden zwischen Stalin und Hitler 1939 vereinbart und in einem geheimen Zusatzprotokoll geregelt.

Antonescu gab sich jedoch nicht mit der Rückeroberung der Provinzen zufrieden und marschierte mit den Achsenmächte bis Stalingrad. Odessa wurde von rumänischen Truppen besetzt, ebenso Transnistrien, das Gebiet zwischen Dnjestr und Bug. In diesem von Rumänien verwalteten Gebiet errichtete Antonescu seine Todeslager. Über 300.000 rumänische und ukrainische Juden kamen hier ums Leben. In einer Vergeltungsaktion für ein Attentat auf das Hauptquartier des rumänischen Militärs in Odessa im Herbst 1941 ließ Antonescu in nur wenigen Tagen über 20.000 Juden ermorden.

Dass nun das Bukarester Appellationsgericht die Rückeroberung der 1940 abgetrennten Gebiete als legitim bezeichnete, um das Freisprechen Antonescus von der Beschuldigung des Verbrechens gegen den Frieden zu begründen, wurde in der Republik Moldau mit Sorge und Empörung aufgenommen. In einem Kommuniqué des Außenministeriums wird die Rehabilitierung Antonescus als „Präzedenzfall“ bezeichnet und der rumänischen Justiz vorgeworfen, ein Urteil gefällt zu haben, das „nicht den europäischen Standards und den Werten eines vereinigten Europa entspricht“. Die Beteiligung Antonescus am Krieg gegen die Sowjetunion wird in dem am Freitag veröffentlichten Dokument als ein Akt der „Eroberung, Aggression und Okkupation“ eingestuft.

Die heute unabhängige Republik Moldau entstand aus der ehemaligen Sozialistischen Sowjetrepublik Moldau. Diese wurde nach dem Sturz Antonescus im Spätsommer 1944 auf dem Gebiet der früheren rumänischen Provinz Bessarabien gegründet und an die Sowjetunion angeschlossen. WILLIAM TOTOK