Macht nur so weiter!

Auch noch eine Idee, wo man das Rauchen verbieten könnte? Um den „Nichtraucherschutz“ geht es in Wahrheit schon lange nicht mehr – es geht gegen die Raucher, und zwar um jeden Preis

VON DAVID FISCHER-KERLI

Hurra, das Rauchverbot in der Gastronomie kommt doch! Und alle freuen sich und applaudieren: „Bravo, es geht doch!“ Nur der einsame Raucher reibt sich verwundert die Augen: Warum wird immer vom „Schutz der Bevölkerung“ gesprochen, als wollten alle dasselbe, als ginge es um eine unheimliche außerirdische Gefahr? Gehören Raucher nicht auch irgendwie zur Bevölkerung, vielleicht sogar zur Menschheit? Wenn man sie kitzelt, lachen sie dann nicht? Wenigstens ein bisschen? Übergangen zu werden ist das Los von Minderheiten.

Die traurige Wahrheit: Um den Nichtraucherschutz geht es schon lange nicht mehr, es geht gegen die Raucher. Oder was hat es noch mit dem Schutz vor Passivrauchen zu tun, wenn öffentlichen und am besten auch gleich privaten Bediensteten das Rauchen in ihren eigenen Büros verboten werden soll? Es ist eine beunruhigende Vision vom „guten Leben“, die hier mit Macht durchgedrückt werden soll; Genuss ist nur noch in Form von Wellness erlaubt, alles andere ist Laster.

Weder Rauch noch Suff

Schon keimen Hoffnungen, ein Rauchverbot könnte auch den Alkoholkonsum senken. Vernunft ist das Gebot der Stunde, das hat unlängst auch der Spiegel erkannt: „Es könnte, wenn Vernunft die Grundlage der Politik wäre, recht einfach sein: Rauchen bringt in Deutschland jährlich rund 130.000 Rauchern den Tod, ein konsequentes Nichtrauchergesetz (sic!) würde die Zahl der Tabakopfer reduzieren.“ Der Verdacht drängt sich auf, dass es ausschließlich Nichtraucher sind, die solche Sätze formulieren.

Es sieht ganz danach aus, als wolle der nicht aufhörende Antiraucherkreuzzug vor allem die hierzulande so beliebte Haltung des Auf-dem-Sofa-Sitzens-und-Übelnehmens institutionalisieren. Witzig ist, dass zurzeit in den deutschen Feuilletons eine Debatte über die Toleranz geführt wird: Keine Toleranz der Intoleranz von Fundamentalisten! Gemeint sind islamische Fundamentalisten. Nicht gemeint sind Nichtraucher.

Es ist ja auch so schön, anderen Leuten etwas zu verbieten, was man selber gar nicht machen will, das befreit. Auch frustrierte Politiker, die sich angesichts der Globalisierung zunehmend handlungsunfähig fühlen. So ein nettes kleines Verbot kommt da immer gut. Seltsam – eigentlich soll doch immer der Markt alles regeln. Könnte man ihm dann nicht einfach auch zutrauen, Raucher in Raucherkneipen und Nichtraucher unter ihresgleichen zu lotsen? Weit gefehlt, denn immerhin geht es um ein hohes Gut: die Volksgesundheit, Dauerbrenner seit 1933 (der Zeit, zu der das Passivrauchen erfunden wurde). Unter dem „im Grundgesetz verankerten Schutz des geborenen und ungeborenen Lebens“ (Deutsches Krebsforschungszentrum) macht es die Nichtraucherlobby mittlerweile kaum mehr. Da ist es auch egal, ob überhaupt Nichtraucher in der Nähe sind. Kommen dann noch die armen, unschuldigen Kinder hinzu, wird es eng. Um junge Menschen vor den schlimmen „Killerspielen“ zu schützen, würde Beckstein sie am liebsten auch gleich den Erwachsenen verbieten, sicherheitshalber.

Tja, die Kinder …

Schön für die große Koalition, dass solches Denken volksparteiübergreifend funktioniert: Die SPD-Bundesdrogenbeauftragte Bätzing lässt schon mal prüfen, ob und wie es möglich ist, Rauchen beim Autofahren zu verbieten. Klar wäre das ein Eingriff in die Privatsphäre, „aber wir müssen uns ernsthaft fragen, ob Verkehrssicherheit und Gesundheitsschutz nicht höher zu bewerten sind“. Die Privatsphäre ist heutzutage sowieso nicht mehr allzu viel wert, wie die Herren Schäuble und Schily gerne bestätigen können. Und ist privates Kiffen vielleicht erlaubt? Eben! Natürlich spielt Bätzing auch noch den letzten Joker aus: Wie verantwortungslos handelt jemand, der mit Kindern im Auto sitzt und raucht! Noch ist Bätzing ihrer Zeit voraus, aber ihre Argumente haben schon etwas für sich. Tja, die Kinder …

Schade, dass die Autolobby so stark ist, sonst müsste man das Autofahren auch gleich verbieten. Wenn nur Vernunft die Grundlage der Politik wäre! Schließlich werden jedes Jahr ganz viele Kinder totgefahren und andere Leute auch. Dabei lauern die schlimmsten Gefahren für Leib und Leben draußen, jenseits der Haustür! Rausgehen ist insgesamt ungesund, gerade für Kinder. Also: Vernunft zur Grundlage der Politik machen und das Verlassen der Wohnung verbieten. Und weil es drinnen auch nicht ganz ungefährlich ist, sollte man die schutzbedürftige Bevölkerung am besten auf ihren Betten festschnallen und mit schadstoffarmen Breichen füttern.