Käse für Jordanien

Vergesst die Gumball 3000 oder die Paris–Dakar! Jetzt gibt es die „Allgäu-Orient-Rallye“

„Das ist für mein Kamel, denn das kann ich gewinnen, wenn ich zeitig in Jordanien bin“

Der alte Citroën, mit dem zwei Mitglieder des Organisationskomitees der Allgäu-Orient-Rallye an den Start gehen wird, hat nur zwei Kästen Bier gekostet. Jetzt liegen vor dem Vehikel mit der originellen Federung 5.000 Kilometer Landstraße, und zwar von Oberstaufen über Istanbul bis in die Wüste Jordaniens. Weitere 83 alte Autos gehen am Freitag in der Oberallgäuer Kurgemeinde an den Start. Vor ihnen liegen zahlreiche ungewöhnliche Aufgaben und, wie Organisator Wilfried Gehr sagt, „eines der letzten automobilen Abenteuer dieser Welt“.

Aus einer wahren Schnapsidee bei einem Oldtimertreffen in Augsburg geboren, ist es bereits der zweite Durchgang einer wahrhaft ungewöhnlichen Rallye. Selbst das jordanische Königshaus ist bereits im Rallye-Fieber, für die Teilnehmer wird es gut eine Woche nach dem Start im Allgäu einen herzlichen Empfang in der Wüste geben.

Die Bedingungen für die lange Fahrt sind klar, aber durchaus unkonventionell: 111,11 Euro Startgeld, jedes Team besteht aus sechs Fahrern mit drei Autos. Täglich dürfen maximal 666 Kilometer gefahren werden, und übernachtet werden darf nur in Zelten oder Unterkünften, die nicht mehr als zehn Euro kosten. Alle Teammitglieder müssen in Jordanien ankommen – nicht alle Autos. Fällt ein Fahrzeug aus, müssen die Teammitglieder in den anderen Old- und Youngtimern Platz machen. Die teilnehmenden Karossen müssen mindestens 20 Jahre alt sein, oder sie dürfen nicht mehr wert sein als 2.000 Euro.

Aus Österreich, Belgien, den Niederlanden und aus Deutschland kommen die 28 teilnehmenden Teams. Es sind aber auch zwei jordanische Fahrertrupps und ein saudi-arabisches Team in Oberstaufen am Start.

Das „letzte Abenteuer für Autofreaks“ hatte vergangenes Jahr so viel Erfolg, dass es heuer wiederholt wird – und dass es bis jetzt schon 40.000 Euro eingebracht hat. „Mit diesem Geld werden wir in Jordanien eine Käserei bauen“, verspricht Wilfried Gehr. Während sich die Rallyeteilnehmer auf den Nebenstraßen des Orients von einer Prüfung zur anderen quälen, fliegt der Molkereifachmann und gelernte Allgäuer Käser Bernd Baur bequem mit der Musikkapelle, in der auch selbst mitspielt, nach Jordanien. So manch einer wird auf der Tour wohl Michael Reichart, den „Vater“ dieser ausgefallenen Ideen, verfluchen. Letztes Jahr galt es, einen Ballen Heu vom Allgäu nach Jordanien zu kutschieren, denn der erste Preis ist ein Kamel – und das sollte sich an das Allgäuer Futter gewöhnen.

Das mit dem Ballen Heu lassen sie in diesem Jahr bleiben, nachdem im vergangenen Jahr ein Teilnehmer an der rumänischen Grenze deswegen verhaftet wurde. „Der hat auf die Frage des Grenzers, was er mit dem Heu will, geantwortet: Das ist für mein Kamel, denn das kann ich gewinnen, wenn ich zeitig in Jordanien bin. Der Grenzer fühlte sich verarscht und sperrte ihn drei Stunden ins Gefängnis.“ Auch diesmal ist der Preis wieder ein echtes Kamel. Das freilich bleibt wegen der Einfuhrprobleme in Jordanien und kann von den Gewinnern jederzeit besucht werden.

Von den aktuellen Sonderprüfungen der diesjährigen Rallye wird vorab nur eine verraten, die den Teilnehmern viel Geduld abfordern dürfte. Sie spielt an der ersten großen Zwischenstation in Istanbul. Um zehn Uhr morgens zur besten Rushhour ist Start. Vorbei geht es an der „Blauen Moschee“, an der es keine Parkplätze gibt. Dort müssen sich zur Hauptverkehrszeit die Teams mit ihren Autos fotografieren lassen.

Wenn diese Prüfung gemeistert ist, kommt der wildeste Teil der Strecke. Zwei verschiedene Routen gibt es in Richtung Jordanien, dort, wo die Molkerei bereits am Entstehen ist. Die Organisatoren haben nämlich schon einen Hektar Grund in der Wüste gekauft. Kurz vor dem Start zum großen Abenteuer hat sich auch noch ein Oberstaufener Installateur gemeldet, er hätte einen Sponsor, der für die Molkerei eine Solar-Warmwasser-Aufbereitungsanlage im Wert von 20.000 Euro spendiert.

Das freut auch das jordanische Königshaus, das den Rallye-Veranstaltern ausgesprochen wohl gesinnt ist, was unter anderem daran liegt, dass Wilfried Gehr schon eine Zeit lang dort gelebt hat und sich bester Beziehungen zu einflussreichen Beduinen-Familien und zum Königshaus erfreut. Die Welthungerorganisation der UN hat die Schirmherrschaft übernommen.

Weniger freundlich war das, was zunächst wie eine wundersame Geldspritze für das Molkereiprojekt aussah. Ein großer privater Fernsehsender wollte exklusiv von dieser ungewöhnlichen Rallye berichten. Es gab auch ein auf den ersten Blick höchst verlockendes Angebot. 30.000 Euro bot die Produktionsfirma den Organisatoren. Mit der Käserei in der Wüste wäre dann alles noch viel schneller vorangegangen. Doch es war „ein unmoralisches Angebot, als wir es genauer geprüft haben“, sagt Wilfried Gehr. „Wir sollten unterwegs vorsätzlich Unfälle bauen und Autos im Bosporus versenken.“ Man habe daher dankend auf das große Geld verzichtet. „Wir kommen auch so in jeder Hinsicht ans Ziel“, meint der Organisator. KLAUS WITTMANN