Lausitzer Wölfe sind guter Hoffnung

Die Wölfe in der Lausitz erwarten derzeit Nachwuchs. Wolfsfreunde freuen sich, Gegner fürchten um die Sicherheit in der Region. Aber kaum jemand kriegt die Tiere zu Gesicht

RIETSCHEN taz ■ Wo sonst Leopard-Panzer ihre Kreise ziehen, balgen sich die Wolfswelpen auf dem sandigen Boden. Nur wenige Schritte weiter knabbert ein Hase am Grün. Doch diese Idylle in freier ostdeutscher Wildbahn existiert nur in Filmaufnahmen aus dem letzten Sommer. Denn im Wolfsrevier in der Lausitz, die sich über das nordöstliche Sachsen und südliche Brandenburg erstreckt, streiten Befürworter und Gegner über die Gefährlichkeit des Raubtiers – über Schützen oder Abschießen.

In der sächsischen Lausitz leben zwei Wolfsrudel aus jeweils einem Elternpaar und bis zu sechs einjährigen Jungwölfen in einem Gebiet von mehr als 700 Quadratkilometern. Noch in diesem Frühjahr soll es wieder wölfischen Nachwuchs geben. Bei den zwei etablierten Rudeln in der sächsischen Lausitz kann auch in diesem Jahr wieder mit bis zu acht Jungwölfen gerechnet werden. Nach dem Fund von vier Wurfhöhlen in Südbrandenburg erwarten Wolfsbeobachter erstmals auch dort Nachwuchs. Damit könnte sich der Streit verschärfen.

Ein Risiko für Menschen, argumentieren Wolfsgegner wie Jäger Joachim Bachmann aus Bärwalde. Beute-Neid, sagen Bachmanns Gegner. Schon 2004 beantragte Bachmann den Abschuss der Wölfe in der Lausitz. Das Verwaltungsgericht Dresden lehnte seinen Antrag ab, mit der Begründung, ein Angriff auf Menschen sei mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.

Insgesamt schätzen Tierschutzverbände die Zahl der freilebenden Wölfe in Europa (ohne Russland) auf über 10.000. In anderen europäischen Ländern drehten sich Diskussionen zum Thema Wolf vor allem um Schadensausgleich bei Wolfsrissen, „über die Sicherheitsdiskussion bei uns schütteln die alle nur ungläubig den Kopf“, erzählt Wildbiologin Ilka Reinhardt. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Gesa Kluth beobachtet und erforscht sie seit 2002 als Büro Lupus Ernährungsgewohnheiten und Wanderwege der Lausitzer Wölfe. Dazu analysieren sie Wolfsrisse, verfolgen Spuren und sammeln den Kot der Tiere, Wolfslosung genannt. „Davon haben wir eine ganze Tiefkühltruhe voll“, freut sich Reinhardt.

Doch „nur territorial etablierte Wölfe markieren ihr Revier. Wandernde Wölfe hinterlassen kaum Spuren“, erklärt die Wildbiologin. Nach zwei Jahren, wenn die Jungtiere geschlechtsreif werden, gehen sie auf Partner- und Reviersuche und verlassen das elterliche Rudel. Wohin die rund 20 Jungtiere aus den letzten sieben Jahren gewandert sind, weiß niemand genau. Aus diesem Grund will das Bundesamt für Naturschutz die Jungtiere mit GPS-Sendern versehen. Kluth: „Per SMS bekommen wir dann Bescheid, wo sich der Wolf aufhält.“

Areale wie die Truppenübungsplätze in der Lausitz sind für Wölfe ein ideales Refugium. Weder abschussbereite Wolfsgegner noch unaufmerksame Autofahrer haben hier Zutritt. Mit den „Leoparden“ der Bundeswehr haben sich die Wölfe arrangiert. In der DDR dagegen griffen die Grenzsicherungskräfte und Jäger schneller zur Waffe. Der grenzverletzende Canis lupus aus Polen wurde systematisch erlegt. Erst seit der Wiedervereinigung unterliegt der Wolf auch in Ostdeutschland dem höchstmöglichen Schutz.

Doch die Rückkehr des Raubtiers weckt Urängste, die in Mythen und Legenden lebendig geblieben sind. Der Wolf hat hierzulande ein Imageproblem: Ob Sagen, Grimms Märchen oder Disneys Comics – er ist immer der Böse. Als „Rotkäppchen-Syndrom“ bezeichnen Wolfsfreunde die Angst vor dem bösen Wolf. Wolfsbefürworter wie Magnus Herrmann, Artenschutzreferent des Naturschutzbundes Nabu, argumentieren, der Wolf könne nur gefährlich werden, wenn er die Scheu vor Menschen verliert. Eine Verknutlichungsgefahr gewissermaßen.

Doch die meisten Bewohner des Lausitzer Wolfsgebiets haben nie einen Wolf zu Gesicht bekommen, weiß Ilka Reinhardt. Auch Wolfstouristen, die hoffen, auf Wanderungen oder Radtouren ein Tier zu sehen, haben „null Chancen“. Vielleicht reichen ja auch ein Fußabdruck oder eine Wolfslosung.

SABINE GUSBETH