Mordprozess gegen US-Soldat in Rom

Die Justiz eröffnet ein Verfahren gegen einen US-Soldaten. Er hatte in Bagdad auf ein Auto mit der aus der Geiselhaft befreiten Journalistin Sgrena und italienischen Geheimdienstagenten geschossen. Die Auslieferung des Angeklagten ist ausgeschlossen

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Einmal vollendeter Mord, dazu noch zwei Mordversuche: So lautet die Anklage, unter der am 17. April in Rom der Prozess gegen den US-Soldaten Mario Lozano eröffnet werden wird, wie am Mittwoch ein römischer Untersuchungsrichter anordnete. Lozano war der Schütze, der am Abend des 4. März 2005 in der irakischen Hauptstadt Bagdad das Feuer auf jenen Wagen eröffnete, in dem zwei italienische Geheimdienstagenten die gerade aus Geiselhaft befreite Journalistin Giuliana Sgrena zum Flughafen brachten. Der Attacke an einem mobilen US-Checkpoint fiel damals der Agent Nicola Calipari zum Opfer, während Giuliana Sgrena einen Schulterdurchschuss erlitt.

Von Beginn an versuchte die US-Regierung, die Schuld auf die italienischen Beamten abzuwälzen. Sie hätten den Stoppsignalen der Patrouille nicht Folge geleistet, sondern seien mit überhöhter Geschwindigkeit weitergefahren. Aufgrund der Zeugenaussagen Sgrenas und des zweiten italienischen Agenten kamen die italienischen Behörden – und auch der Richter, der über die Eröffnung der Hauptverhandlung entschied – zu einem ganz anderen Ergebnis:

Bei völliger Dunkelheit befand sich der US-Panzerwagen direkt hinter einer Kurve; die Soldaten schalteten plötzlich ihren Scheinwerfer an und eröffneten im gleichen Moment das Feuer. Sie standen überhaupt nur deshalb an der Straße zum Flughafen, weil kurz vorher der damalige US-Botschafter im Irak, John Negroponte, mit seiner Eskorte vorbeigerauscht war. In der Begründung des Beschlusses zur Eröffnung der Hauptverhandlung wird die These vom italienischen Fehlverhalten ebenso klar zurückgewiesen wie die Behauptung, Lozano habe Warnschüsse abgegeben. Er habe den Mord „mit direktem Vorsatz“ begangen und geschossen, um den Wagen „auch mittels Tötung oder Verwundung der Insassen zu stoppen“.

Schon jetzt steht fest, dass Lozano nicht in Rom vor Gericht erscheinen wird. Für die US-Regierung ist „der Fall abgeschlossen“, und zwar mit dem Bericht einer US-Untersuchungskommission, die zu der Schlussfolgerung gekommen war, ihre Soldaten hätten korrekt geschossen. Eine Auslieferung Lozanos an Italien ist deshalb ausgeschlossen.

Dies hindert die italienische Justiz nicht an der Durchführung des Prozesses. Bei politischen Vergehen gilt, dass auch in Abwesenheit der Angeklagten verhandelt werden kann. Im Eröffnungsbeschluss wird deshalb ausdrücklich die politische Natur der Todesschüsse von Bagdad unterstrichen: Das Opfer Calipari sei als Vertreter des italienischen Staates unterwegs gewesen, und politische Interessen Italiens seien durch den Überfall unmittelbar tangiert gewesen.

In Italien wird Lozano von einem Pflichtverteidiger vertreten werden. Der gab bereits bei der Voranhörung sein Bestes und erklärte, Calipari sei an seinem Tod selbst schuld: Bloß weil er „allein die Meriten der Geiselbefreiung einsammeln wollte“, habe er niemanden von der Fahrt zum Flughafen informiert. Giuliana Sgrena dagegen zeigte sich hoch zufrieden, dass es zum Prozess kommt: Er sei der erste Schritt zur Klärung dessen, was an jenem Abend in Bagdad wirklich geschah.