„Terror ausgeschlossen“

LESUNG Ein Historiker untersucht die „Pariser Kommune“ als Alternative zum Kapitalismus

■ 40, promoviert als Historiker an der Uni Hannover und ist Mitarbeiter von Agnes Alpers (MdB, Die Linke). Sein Buch „Die Pariser Kommune“ erschien 2014 bei Papyrossa.

taz: Herr Grams, warum glänzen bei Sozialisten und Kommunisten bis heute die Augen, wenn von der Pariser Kommune die Rede ist?

Florian Grams: Die Pariser Kommune gilt – etwas pathetisch – als erste Arbeiterrepublik, als Versuch, den Kapitalismus zu überwinden und eine Alternative aufzubauen. 1871 wurde in Paris ein basisdemokratischer Stadtrat gebildet und Industriebetriebe in Genossenschaften umgewandelt. Neben Menschen, die mit Marx und Engels in Kontakt standen, gab es Anarchisten, Frühsozialisten. Viele bezogen sich auf Traditionen der Französischen Revolution.

Kann man sagen, in der Pariser Kommune wurde, etwa in der Frauenemanzipation, die Moderne sichtbar?

Stimmen, die die Emanzipation der Frauen forderten, gab es bereits in der Französischen Revolution. Neu war, dass Frauen in der Pariser Kommune auch zu den Waffen griffen und damit handgreiflich die Politik mitgestalteten – ein Wahlrecht wurde für sie aber noch nicht eingeführt. Die Pariser Kommune stand zeitlich und in Bezug auf ihre historische Rolle in der Mitte zwischen französischer Revolution und Oktoberrevolution: Die Komunarden hatten Vorstellungen von einem sozialistischen Modell, wählten aber tendenziell einen anderen Weg als die Bolschewiki.

Inwiefern?

Marx hat den Kommunarden einen zu große Sanftmut gegenüber dem Feind vorgeworfen: Sie haben Terror und politische Morde ausgeschlossen – das gab es erst am Ende. Was die Kommune ausmacht, war die Idee, das Gemeinwesen zu verändern, ohne die Mittel des Gegners zu verwenden.

Letztendlich ist sie niedergeschlagen worden …

… weil sie von Anfang an von preußisch-deutschen und französischen Truppen belagert und damit vom Hinterland abgeschnitten war. Mehr militärische Aktionen hätten daran vermutlich nichts geändert.  INT.: JPB

18 Uhr, Büro Agnes Alpers, Doventorstraße 2