Klimaschaukel heizt Polen ein

Forscher entdecken systematischen Zusammenhang zwischen dem Klima der Arktis und der Antarktis. Dieser Effekt verstärkt die Erwärmung des südlichen Eismeers

BERLIN taz ■ Das Klima der Arktis ist direkt mit dem der Antarktis verbunden. Das hat ein internationales Forscherteam jetzt durch den Vergleich von Eisbohrkernen aus Grönland und dem Dronning-Maud-Land am Südpol herausgefunden. Die „bipolare Klimaschaukel“, deren Entdeckung gestern die Zeitschrift Nature vermeldete, müsste dazu führen, dass sich der Südpol im Zuge des Klimawandels beschleunigt erwärmt.

Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts Epica (European Project für Ice Coring in Antarctica) untersuchten die Wissenschaftler die jüngste Eiszeit vor 20.000 bis 55.000 Jahren. Sie stellten fest, dass sich die Antarktis immer dann erwärmte, wenn es im Norden kalt war und der Südozean wenig warmes Wasser nach Norden exportierte. Umgekehrt kühlte sich die Antarktis ab, wenn es im Nordatlantik warm war und viel Wasser von Süden nach Norden strömte. Die Wissenschaftler hätten einen Prozess entdeckt, „der über die Hemisphären hinweg das Klimageschehen verkoppelt“, sagte Hubertus Fischer vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut, ein Koautor des Nature-Artikels, der taz.

Dem Phänomen liegt der Humboldtstrom zugrunde. Wie eine riesige Pumpe transportiert er warmes Wasser aus der südlichen Hemisphäre in den Nordatlantik. Dort kühlt es ab und sinkt aufgrund seines hohen Salzgehalts auf den Meeresgrund, wo es in einer Tiefenströmung auf die Südhalbkugel zurückfließt. War diese Pumpe in der Eiszeit gedrosselt, hatte der Norden mit Kälte, der Süden mit steigenden Temperaturen zu kämpfen. Lief sie auf vollen Touren, war es im Norden warm, und rund um den Südpol wurde es kälter.

„Es ist wirklich erstaunlich, wie systematisch dieser Prozess auch für kleinere Klimaschwankungen im Südozean wirkte“, sagt der Paläoklimatologe Fischer. „Unsere Daten zeigen, dass die Stärke der Erwärmung im Süden linear von der Dauer der Kälteperiode im Norden abhängt.“

Warum der Humboldtstrom in der Eiszeit mal stärker, mal weniger stark pumpte und es im Norden mal wärmer, mal kälter war, darüber gibt es nur Hypothesen. Dagegen glauben die Wissenschaftler ziemlich sicher zu wissen, was heute die Gletscher auf Grönland zerbröseln und die Eiskappe des Nordpols schrumpfen lässt: der Klimawandel. Im Gegensatz zu den Erkenntnissen aus der Eiszeit führt er aber trotz einer Erwärmung der Arktis nicht zum Erkalten des Antarktis. Im Gegenteil: Der Treibhauseffekt lässt das Eis der Arktis schmelzen. Das Süßwasser der Gletscher und Eisberge senkt den Salzgehalt des Meerwassers, verhindert dessen Absinken und damit auch das Nachströmen warmen Wassers aus dem Süden. Die große Pumpe wird gedrosselt. Der Norden kühlt sich ab, der Süden erwärmt sich, weil das warme Wasser nicht mehr nach Norden strömt. Bis hierher wirkt die Klimaschaukel wie in der Eiszeit.

Die Abkühlung in der Arktis wird allerdings vom Klimawandel mehr als ausgeglichen. „Es überwiegt der Erwärmungseffekt an beiden Polen“, sagt Fischer. Doch die Klimaschaukel ist dennoch wichtig für die Zukunft. Denn der Mechanismus verstärkt die durch den Treibhauseffekt bedingte, an sich langsame Erwärmung des südlichen Ozeans. GERNOT KNÖDLER