Großer Besen für den Kehraus

KUNSTADRESSEN Am alten Standort der Galerie Barbara Weiss in der Zimmerstraße reflektiert Maria Eichhorn den geplanten Umzug

Galerien sind auch bewegliche Objekte. Das wird in diesen Monaten besonders deutlich, weil einige Ausstellungsräume umgezogen sind und einen neuen Ort gefunden haben wie die Galerie BQ in der Weydingerstraße oder die Galerie Esther Schipper am Schöneberger Ufer.

Und nun nimmt auch der Besucher im Treppenhaus des Galerienhauses in der Zimmerstraße in Berlin-Mitte Schilder wahr, die den Ausstellungsraum als nicht mehr existent kennzeichnen beziehungsweise auf einen anderen Ort verweisen. Doch noch ist Barbara Weiss mit ihrer Präsentation von Maria Eichhorn vor Ort, wenn auch in besonderer Weise.

Auffallendes Zeichen dafür sind die Fenster im Erdgeschoss des Hauses. Sie hat die Künstlerin mit Holzverschlägen aus Seekieferplatten versehen, die normalerweise bei Sanierungsfällen oder Abrisshäusern zur Verwendung kommen. Hinter den zugenagelten Fenstern verbirgt sich eine Präsentation, die als eine Art Retrospektive verstanden werden kann, in der Arbeitsweisen und Werke beispielhaft vorgezeigt werden. Sei es in Form eines überdimensioniertes Besens, der gleichzeitig als unlimitiertes Multiple angeboten wird oder eines gänzlich leeren Raums, der mit der Imagination des Betrachters gefüllt werden will.

Ihm mag es unter Umständen schwerfallen, sich für die Außen- oder die Innenansicht der Zimmerstraße zu entscheiden. Die Außenansicht zeigt das Haus direkt neben einer Brachfläche, die seit langem auf eine Bebauung zu warten scheint. Gleichzeitig ist der Ort mit dem nachgebauten Checkpoint Charlie ein Hotspot für die Touristen. Eigentlich hätte man von Maria Eichhorn erwarten können, dass sie die gegebene Situation erforscht und darstellt. Denn das hat sie seit vielen Jahren als Konzeptkünstlerin ausgezeichnet. Hier aber bleiben die Holzverschläge vor den Fenstern nur ein Indiz, das der Betrachter nach eigenem Gutdünken interpretieren kann: Schon zum Abbruch freigegeben? Wer sich in der Galerienlandschaft auskennt, mag darüber sinnieren, warum ein einstmals heißer Ort wie dieser seine Anziehungskraft verliert. Die Galerien von Max Hetzler und Klosterfelde sind schon länger weggezogen.

Innen, in der Ausstellung findet sich weiß auf weiß direkt auf der Ausstellungswand die Adresse „Zimmerstrasse 88/89 10117 Berlin“. Diesem Memento mori als Beschreibung – eine weiße Farbschicht auf die andere, bis sie lesbar ist – kann bald eine neue Beschreibung folgen mit der Angabe „Kohlfurter Straße 41–43“. Dort am Wassertorplatz wird sich die Galerie Barbara Weiss demnächst niederlassen. Hier an diesem Ort aber ist schon die Beleuchtung abgenommen worden. Damit der Besucher überhaupt noch etwas sehen kann, wurden in den Fenstern Lichtschlitze freigelassen.

Das gibt dann genügend Licht für eine Hommage der Künstlerin an ihre Galeristin seit vielen Jahren: auf einem Foto, nach einer Choreografie der Künstlerin, sieht man Maria Eichhorn mit ihrer Galeristin, perfekt eingepasst in eine Wandnische, auf gleicher Höhe, aber in entgegengesetzter Laufrichtung, vereint und doch mit ungleichem Ziel?

THOMAS WULFFEN

■ Galerie Barbara Weiß: Maria Eichhorn, „Zimmerstrasse 88/89, 10117 Berlin“, bis 19. März 2011