Hariri-Jahrestag in Beirut bleibt friedlich

In der libanesischen Hauptstadt gedenken Zehntausende des vor zwei Jahren ermordeten ehemaligen Regierungschefs. In der Frage der Einrichtung eines internationalen Tribunals bewegen sich das pro- und antisyrische Lager aufeinander zu

AUS BEIRUT KARIM EL-GAWHARY

Trotz großer innenpolitischer Spannungen ist der zweite Jahrestag der Ermordung des ehemaligen libanesischen Premiers Rafik al-Hariri friedlich verlaufen. Zehntausende Regierungsanhänger versammelten sich am Platz der Märtyrer im Zentrum Beiruts, um des Politikers zu gedenken. Genau um 12:55 Uhr, dem Zeitpunkt, an dem Hariri zusammen mit 22 weiteren Personen einer Autobombe zu Opfer gefallen war, wurde die Menge still. Von den Moscheen tönten die muslimischen Gebetsrufer, während gleichzeitig die Kirchenglocken läuteten.

Auch wenn die tausenden libanesischen Zedernfahnen in allen Formen und Größen auf der Machtdemonstration der Regierung von Fuad Siniora die Einheit beschwören sollten, ist das Land gespaltener denn je. „Ich sehe keine Lösung, solange die anderen nur die Tagesordnung von Syrien und dem Iran im Libanon durchsetzen wollen,“ erklärt Mariam, eine der jungen Demonstrantinnen.

Die „anderen“ sind nicht weit weg. Hinter Stacheldraht und einem massiven Militäraufgebot haben sich auch die Anhänger der von der Hisbollah angeführten Opposition im Zentrum Beiruts versammelt. Seit über 70 Tagen belagern sie in einer dort aufgebauten Zeltstadt den Sitz der Regierung. Dass es entgegen vielfacher Befürchtungen zumindest an diesem Tag ruhig geblieben ist, liegt auch daran, dass Politiker aller Seiten die Bevölkerung aufgerufen hatten, Ruhe zu bewahren, vor allem nachdem ein Bombenschlag auf zwei Pendlerbusse im Norden Beiruts am Dienstag die Atmosphäre noch einmal angeheizt hatte. Auch der Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah, schlug versöhnliche Töne an. In einer Kolumne in der libanesischen Tageszeitung As-Safir bezeichnete Nasrallah den Tod Hariris als einen Verlust für das ganze Land. „Er hat zu seiner Zeit eine Brücke über ein gespaltenes Land und zwischen dem Libanon und Syrien geschlagen“, schreibt Nasrallah – wohl auch eine indirekte Kritik, dass Siniora das bisher nicht geleistet hat.

Am Stacheldrahtzaun auf der Seite der Regierungsanhänger steht Aischa Schaheen: „Solange es kein internationales Tribunal im Fall des Hariri-Mordes gibt, wird dieses Land nicht zur Ruhe kommen“, sagt sie. Die Redner, die hinter einer kugelsicheren Plexiglasscheibe zu den Anwesenden sprechen, betonen ebenfalls ihre zentrale Forderung nach der Einrichtung eines internationalen Tribunals. Drusenführer Walid Dschumblat ließ dabei wenig Zweifel, wer seiner Meinung nach auf der Anklagebank sitzen wird: „Dieses Jahr wird nicht zu Ende gehen, ohne dass Baschar al-Assad, der Diktator aus Damaskus, für den Mord an Hariri vor Gericht gestellt wird“, prophezeite er. „Baschar, du bist wie ein Affe, eine Schlange. Du bist ein Monster, das nicht als Mensch beschrieben werden kann“, rief Dschumblat unter dem Jubel der Demonstranten.

Auch wenn sich der prosyrische Präsident Émile Lahoud bisher geweigert hat, seine Unterschrift unter den Vorschlag eines internationalen Tribunals zu setzten, ist in den vergangenen Tagen in dieser Frage ein wenig Bewegung in die bisher verhärteten Fronen geraten. Vermittelt haben dabei Saudi-Arabien und der Iran sowie der Chef der Arabischen Liga, Amru Musa. Selbst Ghalib Abu Zeinab, Mitglied des Politkomitees der Hisbollah, will ein Tribunal nicht mehr grundsätzlich ausschließen. „Auch wir wollen, dass der Hintergrund des Hariri-Mordes aufgedeckt wird“, sagt er gegenüber der taz. Aber, schränkt er ein, „ein solches Tribunal sollte nicht politisiert sein und der USA die Möglichkeit geben, unter diesem Vorzeichen ihren Einfluss in der Region zu vergrößern“.

Auch für die libanesische Tageszeitung Daily Star bleibt das internationale Tribunal die zentrale Frage für die Zukunft des Landes. „Nur ein Urteil in einem internationalen Hariri-Tribunal wird am Ende zeigen, welche Seite Recht behalten wird“, hieß es gestern in einem Leitartikel.