„Unsere größte Sorge ist ein Wetterumschwung“

Dann drohe eine nur schwer zu bekämpfende Ölpest in der Antarktis, befürchtet Regine Frerichs an Bord des Greenpeace-Schiffes „Esperanza“

taz: Frau Frerichs, wie ist jetzt, am Montagmorgen 1 Uhr Ortszeit, die aktuelle Situation der „Nisshin Maru“ ?

Regine Frerichs: Die Seeleute dort an Bord haben nach unseren Informationen ihre Versuche fortgesetzt, die Generatoren wieder zum Laufen zu bringen, um dann eventuell den Schiffsmotor starten zu können. Das ist ihnen aber bislang nicht gelungen. Das Schiff treibt immer noch gänzlich manövrierunfähig in der See.

Greenpeace hatte ja Hilfe angeboten, die aber abgelehnt worden ist. Bleibt die „Esperanza“ vor Ort, soll das Hilfsangebot wiederholt werden?

Also das Hilfsangebot steht natürlich auch weiterhin. Und abgelehnt hat es das japanische Fischereiministerium und die Reederei der Fangflotte. Wir liegen ja mit der „Esperanza“ in unmittelbarer Nähe der „Nisshin Maru“ und wir haben über ein japanisches Besatzungsmitglied auf unserem Schiff auch direkten Kontakt mit der Besatzung dort. Mir scheint es, dass die ziemlich froh sind, dass wir hier sind und auch bleiben.

Es besteht also ein ganz normales Verhältnis, wie unter Seeleuten üblich.

Natürlich. Wir haben auch Navigationshilfe angeboten, für den Fall, dass die „Nisshin Maru“ wieder flottkommt oder abgeschleppt wird. Wir verfügen ja über einen Hubschrauber, mit dessen Hilfe das Manövrieren im Eis sehr erleichtert werden könnte. Ich kann mir vorstellen, dass man auf unser Angebot daher auch gerne zurückkommen wird, wenn es darum geht, dieses Seengebiet zu verlassen.

Wie weit ist denn die Eisgrenze entfernt.

Der Wind ist in den letzten 24 Stunden aufgefrischt und die Eisgrenze ist 3 Seemeilen näher gerückt. Sie ist nur noch 10 Seemeilen von hier entfernt.

Was bedeutet, dass die „Nisshin Maru“ schleunigst aus diesem Seegebiet entfernt werden müsste?

Ja, ganz dringend. Wir hatten in den letzten Tagen ausgesprochen großes Glück mit dem Wetter. Die See war jetzt ungewöhnlich lange sehr ruhig. Unsere größte Sorge ist ein Wetterumschwung. Das Wetter kann sich hier ganz schnell ändern. Genau dafür gibt es jetzt erste Anzeichen. Und für ein manövrierunfähiges Schiff bestünde dann höchste Gefahr.

Abgesehen mal von der Besatzung der „Nisshin Maru“ selbst, welche Gefahren drohen denn konkret bei einem möglichen Austritt von Chemikalien oder Schweröl?

Wegen der Kälte kann das Öl hier nicht verdunsten. Außerdem dauert die Selbstreinigung des Meeres in polaren Gewässern sehr viel länger. Und es gibt ja hier weit und breit keine Technik zur Bekämpfung einer Ölpest. Die Antarktis liegt eben nun mal weit weg vom nächsten Hafen. 100 Meilen von unserem Standort entfernt existiert die weltweit größte Kolonie von Adeliepinguinen. Wir gehen davon aus, dass die gerade in diesen Tagen das feste Eis verlassen, weil ihre Jungen jetzt groß genug sind, um im Meer nach Nahrung zu suchen. Ein Ölteppich wäre für tausende Pinguine das Todesurteil. Eine weitere Gefahr droht für Robben und Seevögel.

Welche Rolle spielt die „Nisshin Maru“ in der japanischen Walfangflotte?

Sie ist das Fabrikschiff. Die Flotte besteht neben ihr aus drei eigentlichen Fangschiffen und zwei Beobachtungsschiffen, die selbst nicht fangen, sondern nur bei der Navigation und der Suche nach Walen helfen. Was die drei Fangschiffe an Walen harpunieren, wird von ihnen zur „Nisshin Maru“ gebracht. Dort wird der Wal an Bord gezogen, untersucht, zerlegt und eingefroren. Sollte dieses Fabrikschiff endgültig ausfallen, wäre die diesjährige Fangsaison beendet.

Neuseeland fordert seit Tagen von den japanischen Schiffseignern, die „Nisshin Maru“ umgehend aus diesem Seegebiet zu entfernen. Warum wartet man in Tokio so lange?

Man hofft wohl immer noch, das Fabrikschiff reparieren zu können. Und leider ist es bislang ja vor allem nur Neuseeland, das aktiv geworden ist. Wir würden uns eigentlich ein viel umfassenderes internationales Engagement wünschen.

INTERVIEW: REINHARD WOLFF