Leugnen demnächst EU-weit verboten

Wer Holocaust bestreitet, soll in der ganzen EU bestraft werden. Auch das deutsche Strafrecht müsste verschärft werden, wenn ein geplanter EU-Rahmenbeschluss gegen Rassismus zustande kommt. Bundesregierung und EU-Kommission zuversichtlich

AUS BERLIN CHRISTIAN RATH

Noch in diesem Halbjahr soll europaweit die Leugnung des Holocaust und anderer Völkermorde sowie die Aufstachelung zum Rassenhass verboten werden. Dies sieht ein geplanter EU-Rahmenbeschluss gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vor (die taz berichtete). „Ich bin sicher, dass der Beschluss noch während der deutschen EU-Präsidentschaft verabschiedet wird“, sagte gestern EU-Innenkommissar Franco Frattini vor Journalisten in Berlin. Auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) zeigte sich „sehr optimistisch“.

Bei einer Tagung der EU-Justizminister in der vergangenen Woche war man allerdings von einem Durchbruch noch weit entfernt. Umstritten ist vor allem die geplante Strafbarkeit der Leugnung historischer Fakten. Zypries räumte ein, hier gebe es in Europa „unterschiedliche Traditionen“ zur Reichweite der Meinungsfreiheit. Bisher ist die Leugnung des Holocaust nur in 9 von 27 EU-Staaten strafbar. Neben Deutschland sind dies Belgien, Frankreich, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei und Tschechien.

Nach dem derzeit diskutierten Entwurf soll aber nicht nur das „Billigen, Leugnen oder Verharmlosen“ der Judenvernichtung künftig in allen EU-Mitgliedsstaaten strafbar sein. Zypries und Frattini wollen auch die historische Wahrheit über andere Völkermorde, Menschlichkeitsverbrechen oder Kriegsverbrechen schützen. Das geht ziemlich weit. Als Option erlaubt der Rahmenbeschluss deshalb, dass einzelne Staaten nur die Leugnung von Völkermorden bestrafen, die bereits von einem internationalen Gericht oder einem Gericht aus dem jeweiligen Land festgestellt wurden. Dies gälte etwa für den Genozid in Bosnien, nicht aber für den an den Armeniern in der Türkei. Von dieser Option würde auch Deutschland Gebrauch machen.

Dennoch müsste der Bundestag, falls der Rahmenbeschluss angenommen wird, das Strafgesetzbuch verschärfen. Bisher ist in Deutschland nur die Leugnung und Verharmlosung des Holocaust strafbar.

Ein innenpolitischer Vorstoß von Justizministerin Zypries, dies auf weitere Völkermorde auszuweiten, scheiterte im Jahr 2005. Oppositionspolitiker von Bündnis 90/Die Grünen und FDP warnten vor einer Einschränkung der freien Diskussion über zeitgeschichtliche Vorgänge. Der Schriftsteller und Publizist Ralph Giordano hielt es für unerträglich, dass deutsche Politiker „den einmaligen Zivilisationsbruch des Holocaust relativieren, indem sie ihn strafrechtlich mit anderen Verbrechen gleichsetzen“.

Bei der Aufstachlung zu Rassenhass genügt das deutsche Recht bereits den diskutierten europäischen Anforderungen.

Über den geplanten EU-Rahmenbeschluss wird bereits seit fünf Jahren diskutiert. Da er nur einstimmig beschlossen werden kann, blieb er aber immer liegen. Heftige Störfeuer kamen zuletzt von den baltischen Staaten. Diese wollen, dass auch kommunistische Verbrechen besonders erwähnt werden.