„Wir haben nichts anderes“

ETHIK Der Generalsekretär des Weltärztebunds verteidigt den Einsatz unerprobter Ebolamedikamente

■ Der Arzt ist seit 2005 Generalsekretär des Weltärztebunds (WMA). Zuvor war er stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer.

taz: Herr Kloiber, ist es ethisch vertretbar, in Westafrika in großem Stil Ebolapatienten mit einem klinisch nicht getesteten Wirkstoff zu behandeln, der bislang bloß an Affen ausprobiert wurde?

Otmar Kloiber: Eindeutig ja. Bei der Aussichtslosigkeit der Situation ist nichts dagegen einzuwenden, sofern die Patienten oder ihre Angehörigen einwilligen. Es handelt sich um einen sehr aggressiven Virenstamm mit hoher Sterberate. Wir haben nichts anderes.

Und das rechtfertigt dann Menschenversuche?

Die Deklaration von Helsinki des Weltärztebunds, die die ethischen Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen regelt, erlaubt den Einsatz nicht erprobter Verfahren, wenn alle anderen Verfahren nicht geholfen haben oder keine anderen Therapien zur Verfügung stehen. Das ist hier der Fall.

Worauf gründet die Hoffnung, dass das Serum auch Menschen helfen könnte?

Zumindest im Tierexperiment konnte das Wirkkonzept nachgewiesen werden. Das ist ja schon was. Hätte man mehr Zeit, müsste jetzt eine langfristige Studie folgen. Man würde Schritt für Schritt die Verträglichkeit, die Wirksamkeit und die Effektivität prüfen. Das ist jetzt kaum möglich.

Das Ebolavirus wütet seit Monaten in Westafrika. Es ist seit Jahrzehnten bekannt. Warum hat niemand frühzeitig geforscht?

Dieser Vorwurf ist zum einen zu richten an die afrikanischen Staaten, die ihr Geld anscheinend lieber für Waffen ausgeben als für die Gesundheit ihrer Bevölkerungen. Aber auch die internationale Staatengemeinschaft muss sich fragen lassen, warum sie nicht frühzeitig Mittel für die Prävention und für die Erforschung von Wirk- und Impfstoffen investiert hat. Ebola ist ein globales Problem.

Inwiefern?

Eine solche Krankheit kann sich rasend schnell über den gesamten Globus ausbreiten. Ebola hat das bislang nicht getan. Allerdings nicht, weil die Gesundheitssysteme die Kranken perfekt isoliert hätten. Sondern weil es den Kranken meist zu schlecht geht, um noch zu reisen.

Die Pharmaindustrie interessiert sich auch nicht für Ebola.

Klar, weil sie damit kein Geld verdienen kann. Aber gerade dann gerät Forschung zur klassischen Aufgabe der öffentlichen Gesundheitssysteme. Leider haben diese in diesem Punkt versagt.

INTERVIEW: HEIKE HAARHOFF