Schwarz-Schilling geht in die Offensive

Nach Kritik an seiner Tätigkeit fordert der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina einen Strategiewechsel. Die internationale Präsenz soll nun doch in ihrer bisherigen Form bis 2008 bestehen bleiben

AUS SARAJEVO ERICH RATHFELDER

Der seit einem Jahr in Sarajevo amtierende und in die Kritik geratene Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, der deutsche Exminister und CDU-Politiker Christian Schwarz-Schilling, schlägt einen Strategiewechsel der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina vor. Mehr als elf Jahre nach dem Krieg in Bosnien und Herzegowina sollte nach den noch kürzlich vertretenen Plänen die internationale Präsenz deutlich reduziert werden. Demgegenüber schlägt Schwarz-Schilling vor, dass das Büro des Hohen Repräsentanten (OHR) in der bisherigen Form bis zum Juni 2008 weiterbestehen soll.

Diese überraschende Kehrtwende ist das Ergebnis einer hitzigen Debatte über die Strategie der internationalen Gemeinschaft in Sarajevo. Auf der am 26. Februar stattfindenden Sitzung des Friedensimplementierungsrates (PIC), in dem über 50 Staaten und internationale Organisationen, wie die UN und die Weltbank, vertreten sind, wird über die Zukunft der internationalen Präsenz in Bosnien und Herzegowina neu entschieden. Noch vor kurzem wollten die EU-Staaten, die USA, Russland und andere Mächte das Büro des Hohen Repräsentanten auflösen und durch eine Mission der Europäischen Union ersetzen.

Vor allem Schwarz-Schilling selbst war es, der kurz nach seinem Amtsantritt gefordert hatte, den internationalen Einfluss zurückzudrängen und die Institutionen des Landes zu stärken. Die einheimischen Politiker sollten mehr Entscheidungsfreiheit und Gestaltungsmöglichkeiten erhalten. Im Zuge dieser Politik sollten auch die sogenannten „Bonn-Powers“ nur noch zurückhaltend angewendet werden.

Mit diesem Instrument hat der Hohe Repräsentant die Möglichkeit, nationalistische und korrupte Politiker, die den Prozess der Versöhnung der drei Volksgruppen, der Bosniaken (Muslime), Kroaten und Serben, stören und Reformen im Lande verhindern, von der Macht zu entfernen. Durch den Kosovokonflikt und die wieder gespannte Lage auf dem südlichen Balkan wurde jedoch die Debatte über die Effizienz dieser Strategie angeheizt. Da serbische Politiker in Belgrad und in Bosnien, so der serbische Sozialdemokrat Milorad Dodik, schon im letzten Frühjahr eine Volksabstimmung in der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina über den Anschluss des Gebietes an Serbien forderten, wenn Kosovo unabhängig würde, wurde die Existenz des Staates Bosnien und Herzegowina in Frage gestellt. Im Wahlkampf 2006 dominierten schon überwunden geglaubte nationalistische Stimmungen.

Mit zur Radikalisierung beigetragen hat auch der bosniakisch-muslimische Politiker Haris Silajdžić, der im April letzten Jahres eine Verfassungsreform zu Fall brachte, die den Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina zwar gestärkt hätte, ihm aber nicht weit genug ging. Die beiden Antipoden Dodik und Silajdžić gingen als Sieger der Wahlen in ihren Volksgruppen hervor.

Seither tritt der Reformprozess auf der Stelle. Schwarz-Schilling geriet in die Kritik. Vor allem britische und US-Diplomaten warfen ihm vor, nicht rechtzeitig genug die Bonn-Powers angewendet zu haben. Schwarz-Schilling habe mit seiner laschen Haltung die Durchsetzungsfähigkeit der internationalen Gemeinschaft insgesamt gefährdet, erklärte die „International Crisis Group“ in einer Analyse über Bosnien und Herzegowina.

Auch die lokalen Medien warfen Schwarz-Schilling Unfähigkeit vor. Unter diesem Druck drängte sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Parteifreund im Januar dazu, sein Amt im Juni 2007 aufzugeben.

Doch in den letzten Wochen hat Schwarz-Schilling die Zügel angezogen. Er drängt selbst auf eine Verlängerung des Mandates des OHR, der Hohe Repräsentant soll wie bisher Vertreter der EU im Lande sein und die Bonn-Powers beibehalten. Eine Verlängerung des Mandats erlaube es, „Erschütterungen abzufangen, die im Verlauf der Lösung der Kosovo-Frage entstehen könnten“, erklärte er. Diplomatische Quellen vermuten, dass es erstmals seit elf Jahren zu Diskussionen im Friedensimplementierungsrat kommen wird. Russland und die Slowakei fordern nach wie vor die Auflösung des OHR.