Im Baskenland wächst die Gewalt

Auf Festnahmen mutmaßlicher ETA-Mitglieder folgen Angriffe von Sympathisanten. Friedensprozess vor dem Scheitern

MADRID taz ■ Mit einer Serie von Gewaltakten haben ETA-Anhänger auf die Festnahme von sechs mutmaßlichen Mitgliedern der baskischen Untergrundorganisation reagiert. Im nordspanischen San Sebastián setzten ETA-Sympathisanten Autoreifen in Brand. In der baskischen Regionalhauptstadt Vitoria griffen junge Separatisten ein Büro der baskischen Regierungspartei PNV (Baskisch-Nationalistische Partei) an. Nahe der Industriemetropole Bilbao zündeten ETA-Anhänger Geldautomaten an und warfen Scheiben ein.

Der Friedensprozess an dem sich die Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero versucht, seit ETA im März einen permanenten Waffenstillstand verkündete, steht vor dem Scheitern. Die in der vergangenen Woche Verhafteten sollen den Raub von 350 Pistolen Ende Oktober in der Nähe der französischen Stadt Nîmes geplant haben. Auch der gescheiterte Versuch, in Frankreich auf einer Großbaustelle Sprengstoff zu entwenden, wird ihnen zur Last gelegt. In den Wohnungen der Verhafteten wurden Waffen sowie Chemikalien und elektronische Komponenten gefunden, die zur Herstellung von Bomben dienen. Außerdem fand die Polizei eine gut ausgerüsteten Werkstatt zur Fälschung von Ausweisen europäischer Länder. Dies sei, so Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba, mit einem Friedensprozess unvereinbar.

In Frankreich sind Antiterrorspezialisten schon länger besorgt über die neuerlichen Aktivitäten der ETA. Über 500 Aktivisten soll die Separatistenorganisation haben. In den letzten Wochen gehen vermutlich ein Dutzend Autodiebstähle in Südfrankreich auf das Konto der ETA. Im spanischen Teil des Baskenlands nimmt die Gewalt ebenfalls zu. Brandanschläge werden nicht nur auf öffentliche Gebäude verübt. Vor zwei Wochen übergossen jugendliche ETA-Sympathisanten einen Polizisten in Bilbao mit Benzin und versuchten, ihn anzuzünden – was vom Personal umliegender Geschäfte verhindert wurde.

Die ETA-nahe verbotene Partei Batasuna, die mit Zapateros Sozialisten im Baskenland im Dialog steht, weigert sich, die Anschläge zu verurteilen. Schuld daran habe „die Repression“, die den Friedensprozess erschwere. „Das ist nicht der Weg“, protestierte ein Sprecher Batasunas nach den Verhaftungen in Frankreich. Der Regierung Zapatero ist es offensichtlich nicht gelungen, Batasuna zu mäßigen und zu einer Neugründung zu bewegen. Dazu müsste die ETA-nahe Partei Namen und Statut ändern und aufhören die terroristische Gewalt zu rechtfertigen.

Der harte Kern bei Batasuna setzt auf eine andere Strategie, um an den Kommunalwahlen im Mai 2007 teilzunehmen. Mit der Gründung freier Wählergruppen von bis dato unbekannten Kandidaten soll ein Verbot als Batasuna-Nachfolgeorganisation ausgeschlossen werden, da die Richter Liste für Liste untersuchen müssten. Batasuna hatte vor dem Verbot 680 Gemeinderäte und 49 Bürgermeister.

Die Stimmen aus der Opposition gegen den Friedensprozess werden immer lauter. Der Dialog mit Batasuna sei „ein absoluter Fehlschlag“, erklärte der Sprecher der konservativen Partido Popular Gabriel Elorriaga. Er verlangt von der Regierung mehr „Transparenz, Klarheit und Ehrlichkeit“. Auch in den Reihen von Zapateros PSOE werden kritische Stimmen laut. „Der einzige Erfolg, den Zapatero bisher vorzuweisen hat, ist die Wiederauferstehung des Feindes“, so ein altgedientes, baskisches Parteimitglied, das seinen Namen nicht gedruckt sehen möchte, zur taz. „Man kann keine politische Verhandlungen mit einer Organisation führen, die nicht dafür gemacht ist“, hatte der Befragte bereits zu Beginn des Friedensprozesses gewarnt. Er scheint Recht zu behalten. REINER WANDLER