220.000.000.000 Euro

ERDBEBEN Teurer als Hurrikan „Katrina“ 2005, teurer als das Beben von Kobe 1995: Regierung legt Schadensbilanz vor – noch ohne die Kosten der AKW-Katastrophe

Einschätzung der Bank Goldman Sachs: Toyota dürften täglich 74 Millionen Dollar Gewinn entgehen

TOKIO rtr/dapd/epd | Das Erdbeben- und Tsunamidesaster in Japan wird die mit Abstand teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten. Die Regierung in Tokio gab am Mittwoch die erwarteten direkten Kosten mit umgerechnet bis zu 220 Milliarden Euro an. Das entspräche rund zwei Dritteln des deutschen Bundeshaushalts. Und die Zahl könnte noch steigen. Denn darin sind zum einen mögliche Milliardenausfälle nicht enthalten, die die erwarteten Stromrationierungen der japanischen Industrie mit Firmen wie Toyota und Sony bringen könnten. Zum anderen müssen auch die noch unabsehbaren Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima addiert werden. Die immense Schadenssumme werde das Wachstum der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt um etwa einen halben Prozentpunkt drücken, sagte die Regierung.

Sie stellt sich ferner auf ebenfalls hohe zusätzliche Kosten ein. „Die Auswirkungen der erwarteten Stromausfälle werden wohl erheblich sein“, sagte der von der Regierung eingesetzte Wirtschaftsexperte Fumihira Nishizaki. Denn es ist absehbar, dass es im Sommer in Japan zu wenig Strom geben wird. Der Betreiber Tepco, dem das AKW Fukushima gehört, ist auch für die Versorgung des Großraums Tokio zuständig. Dort werden 40 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes erbracht. Tepco hat durch die Katastrophen 20 Prozent seiner Kapazitäten zur Stromherstellung verloren. Die Mengen aus anderen Regionen zu beziehen ist nicht möglich, da dort mit einer anderen Stromfrequenz gearbeitet wird. Von den Unterbrechungen dürften Hunderte japanischer Firmen betroffen sein. Allein dem weltgrößten Autobauer Toyota dürften nach Einschätzung der Bank Goldman Sachs durch die Schließung seiner zwölf Werke pro Tag 74 Millionen Dollar Gewinn entgehen.

Drei der größten Unternehmen des Landes verschoben unterdessen die Wiederaufnahme ihrer normalen Produktion. Als Grund wurden fehlende Teile und Rohmaterialien genannt. Toyota und Honda kündigten an, die Fahrzeugproduktion zunächst nicht wiederaufzunehmen. Sony erklärte, die Herstellung bestimmter Produkte wie Digitalkameras und Fernseher werde ausgesetzt.

Sollten die Gesamtschätzungen auch nur in etwa stimmen, dann wäre die Naturkatastrophe in Japan noch deutlich teurer als Hurrikan „Katrina“, der 2005 New Orleans und umliegende Gebiete verwüstete und 125 Milliarden Dollar (88 Milliarden Euro) Schaden verursachte.

Die japanische Notenbank bekräftigte, sie stehe bereit, um die Volkswirtschaft bei Bedarf zu unterstützen. „Um einen reibungslosen Wiederaufbau in den betroffenen Regionen zu unterstützen, werden wir abwägen, welche Maßnahmen wir einleiten können“, sagte Ratsmitglied Ryuzo Miyao, ohne konkreter zu werden. Bislang seien die Folgen für die Wirtschaft nur schwer abzuschätzen

Die Zahl der geborgenen Leichen nach dem Erdbeben und dem Tsunami in Japan ist nach Angaben der nationalen Polizeibehörde auf mehr als 9.400 gestiegen. Fast 14.700 Menschen würden noch vermisst, teilte die Behörde am Mittwoch mit. Ein Polizeisprecher in der Präfektur Miyagi, die besonders schwer betroffen ist, schätzte die Zahl der Toten allein in dieser Region auf mehr als 18.000.

Die Krisenregion wurde am Mittwochmorgen von einem Erdbeben der Stärke 6,0 erschüttert. Berichte über Schäden und Verletzte lagen nach Behördenangaben zunächst nicht vor. Eine Tsunamiwarnung wurde nicht herausgegeben.