„Man braucht das Vertrauen der Informanten“

Der bekannteste investigative Journalist Deutschlands, Hans Leyendecker, begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts

taz: Herr Leyendecker, was bedeutet das Urteil für die Pressefreiheit?

Hans Leyendecker: Generell war es ein guter Tag für die Pressefreiheit, weil das Bundesverfassungsgericht den Informantenschutz gestärkt und die Ausforschung von Redaktionen erschwert hat. Tatsächlich betrifft das Urteil aber nur die Arbeit einer kleinen Gruppe von Journalisten, weil die wenigsten investigativ arbeiten.

Sie selbst arbeiten investigativ – wie sind Sie betroffen?

Als investigativer Journalist ist man auf das Vertrauen seiner Informanten angewiesen. Wenn Staatsanwaltschaften Redaktionen und Privaträume unkontrolliert durchsuchen können, um an Informanten heranzukommen, ist das Vertrauensverhältnis – und damit meine Arbeitsgrundlage – massiv gefährdet.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) zählt fast 180 Fälle auf, in denen es seit 1987 zu Durchsuchungen und Beschlagnahmungen in Redaktionen gekommen sein soll. Sind die Hemmschwellen des Staates gegenüber solchen Maßnahmen gesunken?

Mit solchen Zahlen sollte man vorsichtig umgehen. Die Freiheit von Journalisten ist ja nicht unbegrenzt. Wenn zum Beispiel der Verdacht besteht, dass Journalisten durch Bestechung an Informationen gelangt sind, dann können entsprechende Maßnahmen seitens der Staatsanwaltschaft gerechtfertigt sein. Nicht jeder Fall ist dann ein Verstoß gegen die Pressefreiheit.

Sie haben zu vielen brisanten Themen wie der CDU-Spendenaffäre recherchiert und geschrieben. Warum stand die Staatsanwaltschaft noch nie vor Ihrer Tür?

Sagen wir es so: Bruno Schirra hat in seinem Cicero-Artikel über den Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi nicht die Idealform gefunden, um seine Informationen zu präsentieren. Einzelne Telefonnummer von al-Sarkawi anzuführen, war zum Beispiel völlig unnötig. So oft, wie Schirra darauf hingewiesen hat, dass er aus einem als vertraulich eingestuften Papier zitiert, wundert es mich nicht, dass die Staatsanwaltschaft auf ihn aufmerksam geworden ist.

Journalisten- und Verlegerverbände haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts einhellig begrüßt, fordern aber, in der Folge den Informantenschutz rechtlich besser zu regeln. Welchen Handlungsbedarf sehen Sie?

Wir müssen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber den Staatsanwaltschaften stärker verteidigen. Für mich ist alles, was die öffentliche Verwaltung betrifft, res publica. Außer dort, wo Staatsgeheimnisse betroffen sind, sollte deshalb der Straftatbestand des Geheimnisverrates aufgehoben werden. Außerdem sollte nicht nur die Entgegennahme, sondern auch die Anstiftung zu sogenanntem Geheimnisverrat vom Straftatbestand ausgenommen werden.

INTERVIEW: HANNAH PILARCZYK