Langjährige Freundschaft

BILATERALE KULTURKONTAKTE Das fünfte Russische Kammermusikfest Hamburg hat sich diesmal den französisch-russischen Beziehungen und dem 100. Geburtstag von Adolphe Sax verschrieben

Doch, sie war schon fortschrittlich, Katharina die Große. Aufgeklärt, wie sie war, korrespondierte sie mit dem französischen Philosophen Voltaire, machte Französisch zur Hofsprache. Als allerdings die französische Revolution ausbrach, beendete sie den Kontakt; so aufgeklärt wollte sie dann doch nicht sein, ihren eigenen Absolutheitsanspruch in Frage zu stellen. Als später Napoleon in Russland einmarschierte, kühlten die Beziehungen weiter ab.

Den kulturellen Beziehungen hat das aber nie geschadet. Kandinsky und seine Kollegen schätzten Paris, Debussy und Ravel mochten die russische Musik. Die politischen Beziehungen wurden aber erst 1992 wieder herzlicher, als François Mitterrand einen Freundschaftsvertrag mit dem damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin abschloss. Und Hamburg pflegt seit 1957 eine Städtepartnerschaft mit St. Petersburg. Folgerichtig also, dass es mit dem Hamburger Verein Musikförderung eine Institution gibt, die das schon fünfte Russische Kammermusikfestival organisiert.

Mit der Einladung Uri Breners ein Zeichen gesetzt

Den französisch-russischen Beziehungen hat man sich diesmal verschrieben und ganz subtil auch politische Zeichen gesetzt. Eine der ersten Uraufführungen wird zum Beispiel Uri Brener gelten. Brener wurde 1974 in Moskau geboren, emigrierte 1990, um in Düsseldorf und Amsterdam zu studieren und lebt inzwischen als vielfach geehrter Komponist in Israel.

Doch interessant sind weniger seine Ehrungen, sondern Aktivitäten wie das „Tabula Rasa Projekt“, das Kulturen und Epochen verbindet. Zwischen Folklore, Klassik und Jazz bewegen sich die Stile, vom mittelalterlichen Troubadour-Lied bis zu Bartoks Volksmusik-Verarbeitungen und Skjabins synästhetischer Musik reicht das Spektrum, Bebop und Fusion inklusive. Brener ist ein eigenwilliger Komponist, und es ist ein wichtiges politisches Zeichen, einen jüdischen Künstler einzuladen – denn Juden waren in Russland jahrhundertelang Pogromen ausgesetzt.

Ein weiteres Politikum ist es, das armenische Khachaturyan-Trio einzuladen. Khachaturyan zählte zwischen 1930 und 1950 zu den wichtigsten sowjetischen Komponisten. Da kann man einerseits über den unguten Umgang von Stalins Sowjetunion mit nationalen Minderheiten sinnieren und andererseits über den möglichen Konformismus eines Komponisten, der in dieser Epoche Karriere machte.

Quartett „Clair-Obscur“ ehrt Adolphe Sax

Der Pianist und Komponist Wassily Lobanov wiederum, der beim russischen Kammermusikfest – gemeinsam mit Elisaveta Blumina – eine eigene vierhändige Sonate präsentiert, lebt seit 1991 in Deutschland und lehrt seit 1997 als Klavierprofessor an der Musikhochschule Köln.

So hat das Russische Kammermusikfestival eine gute Anzahl MigrantInnen mit unterschiedlichen Ausrichtungen und Wegen zu bieten und stellt zudem Werke von Henri Vieuxtemps vor, eines wichtigen Violinisten des 19. Jahrhunderts. Er war zwar kein Franzose, sondern Belgier, lebte dafür aber von 1846 bis 1852 als Hofmusiker von Zar Nikolaus I. in St. Petersburg – ein sichtbarer Beleg für die guten Beziehungen.

Den Schlussakkord des Festivals wird das Berliner Saxophonquartett „Clair-Obscur“ setzen. Werke von Strawinsky, Glasunow, Esphai, Françaix, Rannev und Schostakowitsch werden erklingen. Dass man gerade dieses Ensemble einlud, ist kein Zufall: Vor 100 Jahren wurde Adophe Sax, der belgische Erfinder des Saxophons geboren, der 1846 in Frankreich ein Patent bekam und später das Bühnenorchester der Pariser Oper leitete. Am anrührendsten an seiner Vita ist allerdings eine ganz besondere Huldigung, die dem Instrumentenbauer zuteil wurde: Der Asteroid 3534 wurde ihm zu Ehren „Sax“ genannt.  PS

5. Russisches Kammermusikfest Hamburg: 3.–29. 9. 2014

www.russisches-kammermusikfest.de