schurians runde welten
: Blutbad an der Otto-Fleck-Schneise

“Es ist eine Auszeichnung, die ich der Mannschaft verdanke.“ (Jürgen Klinsmann)

Ich durfte einmal dabei sein, als ein Bundesverdienstkreuz verliehen wurde. Auch damals ging es ziemlich diskret zu. Man konnte nicht aus den Fenstern schauen und die städtische Magistratin fand im Halbdunkel ein paar lobende Worte in Vertretung des Oberbürgermeisters, des Ministerpräsidenten, des Bundespräsidenten. Dennoch hatte der Geehrte Tränen der Rührung in seinen Augen, was mich einigermaßen erstaunte. Weil es fortan nicht bei der einen Überraschung blieb, halte ich seither von Trägern des Bundesverdienstkreuzes noch weniger als vorher.

Ähnlich enttäuscht, wie ich von meinem Kreuzträger, ist Deutschland derzeit vom Radheld Jan Ullrich; ohne Verdienstorden. Ihn traf ich vor seinem ersten Toursieg. Er hatte sich verfahren. Ulle stand in der Pedale, rollte vorsichtig über Straßenbahnschienen, dann überwand er den Lenker lupfend einen Bordstein und verschwand im Gewimmel des Einlagerennens. Was mir immer schon auffiel, alle Frauen fliegen auf Ullrich.

Es liegt wohl an seinen extralangen Oberschenkeln und der ungelenken Unsicherheit, er lässt sie alle träumen: Was, wenn Jan „Schatzi“ zu mir sagen würde vor der Weltpresse, zwanzigmal, dann Blitzlichtgewitterküsse zum Karriereende, ein Abgang im Audi 6, ein intensives Essen zu zweit. Dass Ulle es auch mal krachen lässt, er ausbricht, sich an kaum was erinnern kann, dass er Tocotronics Freiburg-Hass in die Tat umsetzte – egal. Auch wenn er jetzt Vertreter für Funktionsunterwäsche wird, sie würde ihn trösten, wenn er kaputt nach Hause komtt, ihm heiße Schokolade machen und Mut für den nächsten traurigen Tag. Und Ullrich würde es ihr abnehmen, der gute, der schwache Kerl.

Sein Bundesverdienstkreuz mit Stern erhielt Gerhard Mayer-Vorfelder schon vor acht Jahren. Und wenigstens das darf der CDU-Politiker, Ex-Landesminister und auch ehemalige Präsident des Deutschen Fußballbundes behalten. Sonst hat ihm der DFB alles genommen. Erst den Dienstwagen, sein Spesenkonto und dann auch das kicker-Abo. Gestern soll es deshalb eine Aussprache gegeben haben mit seinem Nachfolger, dem DFB-Boss Theo Zwanziger. Erwarteter O-Ton: „Dienstwagen, Büro, Sekretariat, darauf pfeif‘ ich, Sie können mir alles nehmen, Sie können meinen Namen in den Schmutz ziehen, Herr Dreizehner, aber mein kicker-Abo, das kriegen Sie NIEMALS!“ DPA-Eilmeldung: Blutbad an der Otto-Fleck-Schneise. MV:„Konnte nicht anders.“

2.3. Schalke – Hamburg

Ähnlich martialisch geht es beim HSV zu, der heute ausgerechnet mit dem Schalkeritterkreuzträger Huub Stevens die Arena besucht. Hamburgs Kapitän Rafael van der Vaart ahnt schlimmstes: „Die wollen uns umbringen.“ Stimmt nicht, die wollen nur spielen.CHRISTOPH SCHURIAN