Die Welle rollt weiter

SYRIEN, JEMEN, JORDANIEN Überall demonstrieren Menschen gegen die Machthaber. Die antworten nicht nur mit Gewalt, sondern mobilisieren auch ihre eigenen Anhänger

„Ich bin bereit, die Macht abzugeben, aber nur in sichere Hände“

JEMENS PRÄSIDENT ALI ABDULLAH SALEH

DAMASKUS/KAIRO/SANAA dpa/dapd/afp/taz | Unter dem Motto „Tag des Abschieds“ trotzten die Gegner des jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh dem vor einer Woche verhängten Ausnahmezustand und versammelten sich zu Zehntausenden auf dem Tahrirplatz. Der Prediger Abdul Rakib Abad, der das Freitagsgebet der Oppositionsanhänger leitete, rief dazu auf, die Zwangsmaßnahme zu ignorieren. „Volk des Jemen, du hast der Welt ein ehrenhaftes Beispiel gegeben. Du hast die Waffen aus der Hand gelegt und die Einheit für den Wandel gewählt“, sagte er.

Saleh erklärte in einer Ansprache vor zehntausenden Anhängern, die sich vor dem Präsidentenpalast versammelt hatten, er werde das Land nicht dem „Chaos“ überantworten. „Ich bin bereit, die Macht abzugeben, aber nur in sichere Hände“, sagte er lediglich. Diese sicheren Hände seien vom Volk zu wählen. Der Opposition traue er nicht, sagte Saleh weiter, da diese eine „kleine Minderheit von Drogenhändlern“ darstelle.

Wieder Tote in Syrien

In Syrien schossen Sicherheitskräfte in mehreren Städten auf Demonstranten. Genauere Angaben lagen zunächst nicht vor.

Die Nachrichtenagentur AFP meldete unter Berufung auf einen Menschenrechtsaktivisten, dass in der Stadt Sanamein 17 Menschen erschossen worden seien. Aus der südsyrischen Stadt Daraa berichtete ein Einwohner der Nachrichtenagentur AP, in der Stadt seien viele Schüsse zu hören. Augenzeugen hätten von mehreren Toten berichtet. Die Truppen hätten zu schießen begonnen, als Demonstranten eine Statue des verstorbenen früheren Präsidenten Hafis al-Assad in Brand gesetzt hätten.

Zuvor hatten in Daraa 20.000 Menschen für demokratische Reformen demonstriert. Westliche Journalisten wurden von Polizei und Geheimdienst an der Fahrt in die Region gehindert. Am Donnerstag hatten Sicherheitskräfte in Daraa das Feuer auf Demonstranten eröffnet. Laut offiziellen Angaben starben dabei 34 Menschen; Oppositionelle sprechen von bis zu 150 Toten.

Auch in der Küstenstadt Latakia sowie in Homs soll laut Augenzeugen jeweils ein Demonstrant erschossen worden seien. In Damaskus kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern des Regimes. Zuvor waren dort zwei Kundgebungen von Regimekritikern von der Polizei aufgelöst worden. Zugleich waren knapp tausend Regimeanhänger in hupenden Autokolonnen durch die Stadt gefahren.

Die syrische Regierung stellte am Donnerstag Reformen in Aussicht, offenbar in dem Versuch, die Proteste zu beenden. Die Opposition zweifelte jedoch die Ernsthaftigkeit dieser Zusagen an.

Präsidentenberaterin Buthaina Schaaban erklärte, die Baath-Partei wolle die Beendigung des seit 1963 geltenden Notstands prüfen. Präsident Assad ordnete laut dem Staatsfernsehen die Freilassung aller Aktivisten an, die in den vergangenen Wochen festgenommen worden waren.

In der jordanischen Hauptstadt Amman wurden in der Nacht zum Freitag 30 Demonstranten verletzt. Regimeanhänger warfen Steine auf die Kundgebungsteilnehmer, die sich nicht zur Wehr setzten, berichteten Augenzeugen. Die Sicherheitskräfte griffen nicht ein. Die Jugendlichen hatten zuvor auf dem Nasserplatz Zelte aufgestellt, um mit einer Besetzung des Platzes den Rücktritt von Ministerpräsident Maruf Bachit zu erzwingen. Am Mittag kamen in Amman Tausende zu einer von Behörden organisierten Gegenkundgebung zusammen.