„Berlin war eine Kraterlandschaft“

CRASHKURS Der Berliner Untergrund ist salzig, sandig und sieht aus wie ein Marmorkuchen. Warum das so ist, erklärt Magdalena Scheck-Wenderoth vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam

■ 48, hat Geologie studiert und an der FU Berlin promoviert. Am Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam leitet sie die Abteilung Sedimentbeckenanalyse und erforscht Strukturen des Untergrunds.

taz: Frau Scheck-Wenderoth, welche Epoche ist schuld daran, dass der Berliner Untergrund ist, wie er ist (siehe Grafik)?

Magdalena Scheck-Wenderoth: Die Epoche beginnt vor etwa 300 Millionen Jahren. Damals sah es hier aus wie eine Kraterlandschaft. Es gab sehr viele Vulkane. Der Harz nebenan war größer als heute der Himalaja. Dieses Gebiet ist seitdem langsam, aber fast stetig abgesunken. Es entstand ein großer See, Berlin lag damals unter Wasser. Vor etwa 255 Millionen Jahren sank das Gebiet dann unter den Meeresspiegel. Nach dieser Überflutung ist eines der wichtigsten Gesteine in unserem Untergrund abgelagert worden, das Zechsteinsalz.

Was ist das für ein Salz?

Es ist ähnlich wie das Salz heute im Toten Meer. Es kristallisierte aus, als das Meer langsam verdunstete. Eine Weile gab es hier Salzseen, ähnlich wie in Südamerika. Dort, wo heute Berlin ist, lag damals eine etwa 500 bis 1.000 Meter dicke Salzschicht.

Was ist so besonders an dem Salz?

Während andere Gesteine brechen, benimmt sich das Salz über geologische Zeiträume so ähnlich wie Honig: Es fließt. Als sich später wieder schwerere Sedimente darauf abgelagert hatten, stieg das Salz auf – immer dahin, wo weniger Last auflag. Das führt dazu, dass wir im Untergrund von Norddeutschland viele verrückte Strukturen haben. Es gibt große Salzwände oder Salzkissen, manchmal sieht es aus wie in einem Marmorkuchen: helles Salz, dazwischen dunkle Erde.

Bewegt sich das Salz noch?

Ja. Irrsinnig langsam zwar, fast unter der Messgrenze. Aber wir wissen, dass es über die letzten 10.000 Jahre Bewegungen gab.

Wie tief liegt dieses Salz?

An manchen Stellen stößt man schon nach mehreren Hundert Metern auf Salz, wie etwa in Spandau. An manchen erst nach drei Kilometern.

Was bedeutet das Salz für die Berliner?

Salz ist selbst gut löslich, aber undurchlässig. Das heißt, es trennt Grundwasserstockwerke, da kommt kein Wasser durch.

Ist unser Trinkwasser dadurch also zu salzig?

Nein, denn vor etwa 30 Millionen Jahren entstand noch eine für Berlin sehr wichtige Schicht, der Rupelton. Das ist ein rotbrauner, sehr dichter Ton. Er kommt aus einer Zeit, in der das Meer sich wiederholt in die Berliner Gegend ausdehnte und daraus wieder zurückzog, sodass Küstensümpfe und Moorlandschaften entstanden. Der Rupelton trennt unser Trinkwasser von allem ab. Das Wasser darunter ist tatsächlich zu salzig, darüber aber haben wir sehr gutes Trinkwasser.

Ist der Rupelton der Grund, warum es in Berlin so schwierig ist, in die Tiefe zu graben?

Das liegt vor allem daran, dass man keine künstlichen Wegsamkeiten zwischen dem guten Trinkwasser und dem tieferen salzigen Grundwasser schaffen möchte. Die obersten Schichten, die den Untergrund Berlins aufbauen, sind unterschiedliche, unverfestigte Sedimente. Schuld daran sind die Eiszeiten. Vor etwa 10.000 Jahren endete die letzte, die Berlin in das Berlin-Warschauer-Urstromtal strukturierte. Es reicht von Nordwesten nach Südosten durch Berlin. Hier floss das Gletscherwasser ab, als der Gletscher schmolz. Die Hochflächen bestehen überwiegend aus dem, was das Eis vor sich hergeschoben hat. Das Tal ist gefüllt mit Dingen, die das Eis zurückgelassen hat, als es abschmolz.

Was genau hat die Eiszeit denn hinterlassen?

Ein großer Durcheinander aus Sand, Ton und Steinbrocken. Der Eisschild schob sich mit einer Wahnsinnsgewalt vor, deshalb gibt es in Berlin auch überall Findlinge. Das sind riesige Steine, die unmotiviert so in der Landschaft liegen. Die kommen zum Teil aus Skandinavien. Der Brunnen vor dem Berliner Dom wurde aus so einem Findling gemacht. Die Eiswand ist sehr unregelmäßig abgeschmolzen. Es wurde ein bisschen was hierhin geschoben, ein bisschen was dahin, da blieb vielleicht ein Loch, wo das Eis erst später schmolz. Dadurch gibt es um Berlin herum so viele Seen. Und daher kommt der sandige Boden.

Woher weiß man das alles?

Wir wissen das aus seismischen Daten und tiefen Bohrungen. In der ehemaligen DDR hat man besonders viele solche Bohrungen gemacht, auf der Suche nach Kohlenwasserstoffen.

Und nebenbei erfahren wir etwas über die Erdgeschichte?

Genau. So erfahren wir in der Regel das meiste über unsere tiefe Erdgeschichte: auf der Suche nach Erdöl und Erdgas.

INTERVIEW MARIA ROSSBAUER