die taz vor 12 jahren über erste prozesse gegen silvio berlusconi
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Hocherhobenen Hauptes gehe er in die Vernehmung, hatte Silvio Berlusconi am Tag vor seinem Treffen mit den Staatsanwälten der Antikorruptionskommission in Mailand angekündigt. Mehr als sieben Stunden saß er seinen Widersachern im Justizpalast seiner Heimatstadt gegenüber, und als er – eigenhändig sein Gefährt steuernd – wieder aus dem Gebäude herausfuhr, hatte er zwar immer noch markige Worte parat, schwieg sich über den Erfolg seiner Verteidigungsstrategie allerdings deutlich aus.

Es gebe keinen einzigen Menschen, der ihn direkt anklage, er selbst habe zur, inzwischen unter anderem durch die Aussage seines Bruders Paolo und mehrerer Topmanager seines Unternehmens, beweiskräftig festgestellten Bestechung von Steuerfahndern beigetragen oder diese auch nur billigend hingenommen. „Alles nur ein Gespinst des Oberstaatsanwalts Borelli“, wiederholte Berlusconi schon fast monoton.

Die Mailänder Staatsanwälte ihrerseits verweigerten unter Hinweis auf das Ermittlungsgeheimnis jeden Bericht über die Vernehmung, kommentierten seine „Gespinst“-These allerdings mit dem trockenen Satz: „Das hängt natürlich sehr von der Sichtweise ab.“ Tatsächlich hatten die Ermittler Berlusconi eine ganze Reihe von Indizien entgegenzuhalten. So etwa die belegte Unterschriftsberechtigung Silvio Berlusconis für Schweizer Konten, aus denen die Schmiergelder bezahlt wurden.

Inzwischen machen die Fußtruppen der wenigen verbliebenen regierungstreuen Politiker mobil. So haben die Inspektoren zur Überprüfung möglicher Unregelmäßigkeiten bei Staatsanwaltschaften, das bei dem besonders Berlusconi-hörigen Minister Alfredo Biondi angesiedelt ist, ihren sofortigen Rücktritt erklärt. Tatsächlich hatten die dortigen Strafverfolger den Justizsendlingen Einmischungen in laufende Verfahren und gezielte Akquirierung von geheimen Dokumenten aus Ermittlungen gegen Regierungsmitglieder vorgeworfen. Werner Raith, 15. 12. 1994