Hilfe nur, wenn’s gekracht hat

Das Familienministerium will gegen rechts befristete „Mobile Kriseninterventionsteams“ einsetzen. Die Berater vor Ort sehen das mit Sorge

VON ASTRID GEISLER
UND BEATE SELDERS

Im Herbst sah es so aus, als sei die Zukunft der Mobilen Beratung und der Opferberatung gegen rechts gesichert. Nun stehen die Projekte erneut vor dem Aus. Haushaltsrechtlich hätten die Länder ab 2007 die Finanzierung übernehmen müssen, denn es handelt sich um Modellprojekte und der Bund ist nach der Modellphase nicht mehr zuständig. Dazu war aber nur Brandenburg bereit, und Ideen der SPD für eine dauerhafte Bundesfinanzierung interessierten das zuständige CDU-geführte Bundesfamilienministerium nicht. Nach zähem Ringen sagte das Ministerium 5 Millionen Euro und ein Bundesberatungskonzept zu. Das liegt nun vor. Und es sieht völlig anders aus als erwartet.

„Da kann man wirklich nur den Kopf schütteln“, sagt Lorenz Korgel, Koordinator der Mobilen Beratungsteams. „Wir verstehen das überhaupt nicht.“ Laut dem achtseitigen Papier, das der taz vorliegt, sollen künftig bundesweit „Mobile Kriseninterventionsteams gegen Rechtsextremismus“ zum Einsatz ausrücken. Anders als die bisherigen Beratungsteams, sollen sie nicht mehr langfristig arbeiten, sondern „anlassbezogen“ und „zeitlich befristet“ um Hilfe rufende Kommunen beraten. Die Dauer der Krisenintervention soll „in der Regel auf zwei bis drei Monate begrenzt“ sein, heißt es in dem Entwurf. Einsatzkommandos sollen jedes Mal neu zusammengestellt werden – je nach Anlass mit Juristen, Psychologen oder Polizisten besetzt, unter der Leitung von Koordinierungsstellen, angesiedelt bei den Landesregierungen. Die bisherigen Beratungsteams sind als Teil dieser Taskforce vorgesehen, aber der zivilgesellschaftliche Charakter der Beratung wäre passé und eine dauerhafte Finanzierung der Projekte nicht in Sicht.

Sollte dieses Konzept Realität werden, warnt Korgel, „ist eine Beratungsarbeit in unserem Sinne fachlich nicht mehr möglich“. Nicht nur, weil die Projekte unter diesen Umständen kein Personal mehr beschäftigen, kein Büro mieten und kein Auto leasen könnten, um vor Ort arbeiten zu können. Korgel ist überzeugt, dass die geplanten kurzfristigen Feuerwehreinsätze gegen rechts zum Scheitern verurteilt sind. „Die Leute in den betroffenen Orten wollen niemanden, der einfliegt, ihnen sagt, wie man es besser macht, und dann wieder abhaut“, warnt der Projektleiter. „In einer so kurzen Zeit wird niemand mit dir kooperieren.“

„Kurzfristige Kriseneinsätze sind kein probates Mittel gegen die Faschisierung der Provinz“, sagt auch der Leiter des Mobilen Beratungsteams Schwerin, Karl-Georg Ohse. Die Beratung einer Kommune gehe zwar manchmal „flott“, häufig aber dauere sie viele Monate, zuweilen auch Jahre. Ohse fürchtet, der neue Entwurf könnte letztlich auf eine „Abwicklung der Projekte durch die kalte Küche“ hinauslaufen.

Aus hieße es dann auch für die Opferberatungsstellen. „Ein großer Teil der Gewalt wird dann nicht mehr öffentlich wahrgenommen“, meint Franz Eder von der Leipziger Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt. Die meisten Opfer sind Punks, alternative Jugendliche und Asylbewerber. Viele erstatten nicht mal Anzeige – wegen schlechter Erfahrungen mit Behörden und Polizei. Sie brauchen ein vertrauliches, niedrigschwelliges Angebot.

Wie das Konzept im Hause von der Leyen zustande kam, darüber rätseln die Betroffenen. Das Ministerium hat sie weder nach ihrer Meinung gefragt noch ihnen das neue Modell vorgelegt. Fragt man im Familienministerium nach, fällt die Antwort schwammig aus: Man habe das Konzept „auf der Basis der Erkenntnisse“ bei der Umsetzung des bisherigen Bundesprogramms entwickelt, so ein Sprecher.

Heißt das, Wissenschaftler, die die Arbeit der Modellprojekte evaluiert haben, haben mitgestrickt? Nein, sagt der Politologe Armin Steil auf Anfrage. „Wir empfehlen, mehr auf Kontinuität zu setzen“, sagt er und verweist auf die Forschungsergebnisse: „Unsere Ansicht ist durch die Untersuchungen gedeckt.“

Auch in welchen Gremien das Konzept beschlossen wurde, ist schwer nachvollziehbar. Bei der SPD-Pressestelle heißt es, die Gespräche mit dem Koalitionspartner liefen noch, und das Familienministerium gibt bekannt, die Abgeordneten der Koalition hätten ihre „grundsätzliche Zustimmung“ gegeben. Bundeskoordinator Korgel ist überzeugt, dass noch Einfluss genommen werden kann. „Das Papier ist kein Gesetz“, sagt er und hofft, dass SPD-Fachpolitiker noch Änderungen durchsetzen können. Aktiv geworden sind schon Sozialwissenschaftler mehrerer Universitäten. Sie wenden sich mit einem Aufruf an die Bundesregierung, in dem es heißt: „Eine ausschließlich auf kurzfristige Krisenintervention setzende Förderpolitik greift in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus zu kurz und würde den langfristigen Beratungsansätzen der erfolgreich arbeitenden nachhaltigen Projekte kontraproduktiv entgegenstehen.“

Untersuchung von Armin Steil u. a.: www.uni-bielefeld.de/(de)/ikg/download/CIVITAS-Bericht_2006.pdf