gemeindeordnung
: Gegen die politische Klasse

Fast kann es Jürgen Rüttgers heute Mittag egal sein, ob 15.000 Demonstranten gegen ihn aufmarschieren oder nicht. Auch ohne Demo weiß der Ministerpräsident längst, dass sich seine Regierung mit einem mächtigen Gegner angelegt hat. Weil es die FDP so wollte, ließ sich die CDU auf die Reform der Gemeindeordnung ein – und der Union beschert das nichts als Ärger: Erst revoltierten Parteifreunde gegen den Machtausbau der Bürgermeister. Jetzt brennt der Zorn bei den kommunalen Unternehmen. Stadtwerke, Versorger, Verkehrsunternehmen fürchten um ihre wirtschaftliche Freiheit. Und das erste Mal seit Juni 2005 kann man sich echte Sorgen um die Landesregierung machen, die die Kommunalpolitiker so gegen sich aufbringt und damit die eigentliche politische Klasse im Land.

KOMMENTAR VON CHRISTOPH SCHURIAN

Natürlich gibt es gute Gründe, Kommunen wirtschaftlich zu fesseln. Im Müllgeschäft oder im Nahverkehr sind das hochsubventionierte Konkurrenten am Markt. Und brauchen Gemeinden wirklich Softwareschmieden, die international um Aufträge buhlen? Logisch, dass die FDP andere Vorstellungen von freier Marktwirtschaft hat. Anderseits – warum sollten die Gemeinden darauf verzichten? Ihre Unternehmen unterliegen der öffentlichen Kontrolle, bieten der Belegschaft mehr Mitsprache. Erfolgreiche kommunale Unternehmen bringen Geld in den öffentlichen Haushalt, unternehmerisch aktive Städte müssen weniger privatisieren.

Mal abgesehen von diesem Prinzipienstreit, der auch innerhalb der Landesregierung tobte, viel gravierender ist der Ärger mit den Kommunalpolitikern – und zwar allen. Eine Landesregierung, die der politischen Basis die Leitwährung entzieht, die dafür sorgt, dass es weniger Wirtschaftsbetriebe, weniger Aufsichtsräte, weniger Pöstchen und öffentliche Dienststellen geben soll, also weniger zu verteilen, macht sich die eigene Sippschaft zum Feind – und das kann kaum gut gehen.