Die Rückkehr der Riesenechsen

Das Naturkundemuseum beginnt mit dem Wiederaufbau seiner Saurier. Deren Skelette wurden von kanadischen Experten ausgebessert und restauriert. Im Juli ist die Sammlung wieder zu sehen

VON THOMAS JOERDENS

In der lichten Halle dröhnt es wie in einer Metallwerkstatt. Trennschleifer kreischen, Hämmer schlagen auf Metall. Im frisch renovierten Lichthof des Naturkundemuseums in Mitte kann man an diesem Dienstagmittag beobachten, dass Dinosauerieraufbauen in doppelter Hinsicht echte Knochenarbeit ist. Arbeiter hantieren mit schwerem Werkzeug, um die mit Stahlrohr durchzogene Wirbelsäule des wuchtigen Brachiosaurus brancai von einem rollenden Untersatz zu trennen. Ein Kran hievt das mehrere hundert Kilo schwere Teil sechseinhalb Meter in die Höhe. In den nächsten Tagen werden die Arbeiter Hüften, Hinter- und Vorderbeine sowie den Schwanz an die schwebende Wirbelsäule einhängen. Anschließend kommen Hals und Kopf an ihren Platz. In zwei Wochen soll der 150 Millionen Jahre alte Saurier wieder komplett sein.

Im Naturkundemuseum hat der Wiederaufbau der Saurierskelette begonnen. Bis Ende März werden sieben Riesenechsen aus der Jurazeit den Saal bevölkern: runderneuert, noch naturgetreuer und nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aufgestellt. So präsentiert sich der Brachiosaurus künftig mit durchgedrückten Knien und nicht mehr – wie bisher – o-beinig wie ein Fußballer; außerdem soll der Schwanz über dem Boden schweben. „Der Saurier steht jetzt stramm und nicht so lasch“, sagte gestern Reinhold Leinfelder, der Generaldirektor des Museums. Nach dem Neuaufbau wächst der 23 Meter lange Koloss vermutlich um 20 bis 30 Zentimeter und misst künftig fast 13 Meter von der Sohle bis zum Schädel. Das Urvieh galt mit einem Lebendgewicht von mehr als 70 Tonnen als eines der gewaltigsten Landtiere, das je über die Erde trampelte; es ist der größte Saurier, der in einem Museum rekonstruiert wurde. Die Wiedereröffnung der Sauriersäle ist für Mitte Juli geplant.

Vor knapp zwei Jahren hatten Spezialisten der kanadischen Firma „Research Casting International“ die Dinosaurier abgebaut. In einer Moabiter Fabrikhalle säuberten, reparierten und versiegelten die Präparatoren die versteinerten Knochen. Zerbrechliche Stücke oder einfache Gipskopien wie den Brachiosaurus-Schädel ersetzten die Amerikaner durch so genannte 3-D-Prints. Die Kunststoffkopien sind nahezu identisch mit dem Original und sehr leicht; „aus dem gleichen Kohlefasermaterial werden auch Formel-1-Rennwagen konstruiert“, so Leinfelder.

Nach der Wiedereröffnung am 13. Juli gibt es einen Dino mehr im Sauriersaal. Der Neuzugang, ein krallenbewehrter, respekteinflößender Allosaurus, steht als Skelett im Lichthof und lugt mit seinem nachmodellierten Kopf à la Jurassic Park ins Foyer, um die Besucher zu begrüßen. Die komplette Saurieransammlung soll demnächst ein wenig dynamischer daherkommen, allerdings ohne weitere Inszenierung. Die 1906 entdeckten Knochenhaufen im ostafrikanischen Tendaguru, heute Tansania, bilden weiterhin als ehrwürdige und respektierte Zeitzeugen den Mittelpunkt des Museums.

Um die Fantasie der Besucher zu beflügeln, sollen fernrohrartige „Juraskope“ einen Blick in die Vergangenheit ermöglichen: In kurzen Animationsfilmchen bekommen die ausgestellten Saurier Fleisch und Haut auf die Rippen, fressen und laufen in urzeitlicher Wildnis. Im Saal können Besucher unter den alarmgesicherten Sauriern durchspazieren und auf mehreren Inseln die übrige Flora und Fauna einer Juralandschaft bestaunen – freilich in versteinerter Form.

Im Sommer gewinnt die Ausstellungsfläche des Naturkundemuseums zwei Räume dazu und vergrößert sich um 2.500 auf fast 7.000 Quadratmeter. Die Gesamtkosten der Sanierung belaufen sich laut dem Museum auf 17,8 Millionen Euro.