„Männertag? Wir können uns nicht auch noch darum kümmern“

Ministerpräsidentin wollen sie alle werden. Die taz bat vier Spitzenpolitikerinnen zum Gespräch in den Landtag. Auch um zu klären: Wie feministisch sind unsere Volksvertreterinnen? Wie wollen sie anderen Frauen zur Macht verhelfen? Eine Diskussionsrunde im Düsseldorfer Parlament

„Mein Vater sagte immer: Jede meiner Töchter ist so viel wert wie sechs Söhne. So was baut natürlich auf.“

LALE AKGÜN, 53, ist SPD-Bundestagsabgeordnete aus Köln und Islam-Expertin ihrer Fraktion. Von 1997 bis Oktober 2002 leitete sie das Landeszentrum für Zuwanderung in Solingen.

VON ANNIKA JOERES
UND NATALIE WIESMANN

taz: Wer von Ihnen wäre gerne die erste Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen?

Christa Thoben: Bei mir ist es dafür leider ein bisschen zu spät. Sonst gerne.

Sylvia Löhrmann: Ich fange mal als Stellvertreterin an.

Angela Freimuth: Es wäre mir eine Ehre und eine besondere Herausforderung, den demokratischen Auftrag zur Führung der nordrhein- westfälischen Landesregierung zu bekommen.

Lale Akgün: Ich würde das Amt voll und ganz ausfüllen können. An meinem Geschlecht würde es nicht liegen. Aber zum Glück hat die SPD ja mit Hannelore Kraft endlich eine Frau aufgestellt.

In NRW ist zurzeit Armin Laschet Frauenminister. Würden Sie als Ministerpräsidentin auch einen Mann auf diesen Posten setzen?

Akgün: Ich hätte nichts gegen einen männlichen Frauenminister, wenn die Hälfte der Ministerien von Frauen geleitet würden.

Angela Freimuth: Im Sinne von Gender, warum sollte ich nicht auch einen geeigneten Mann zum Genderminister berufen – wenn wir überhaupt so jemanden brauchen?

Löhrmann: Minister Laschet steht für eine Verlegenheitslösung. Das Frauenressort musste noch irgendwo untergebracht werden und es war keine Frau mehr übrig. Wir als Grüne hätten uns auch eine Verknüpfung von Frauen und Wirtschaft vorstellen können. Aber es ist gut, dass Frauenthemen nun auch Querschnittsthema ist. Heute kann es sich niemand mehr leisten, das Thema als Gedöns abzutun, wie es noch Altkanzler Gerhard Schröder getan hat.

Thoben: Ich finde es sehr gut, dass ein Mann Frauenpolitik macht. Deshalb war es mir auch wichtig, dass ich nicht zum Beispiel Sozialministerin, sondern Wirtschaftsministerin geworden bin. Es verändert die Sichtweise, wenn Frauen nicht in ihren klassischen Ressorts sitzen.

Löhrmann: Beim Thema Gewalt gegen Frauen ist die potenzielle Betroffenheit und Sichtweise von Frauen und Mädchen schon ein entscheidender Punkt. Gerade an dieser Stelle hat Laschet gekürzt: Er hat jede vierte Stelle in den Frauenhäusern gekürzt. Vielleicht hätte eine Frau anders für diese Stelle gekämpft.

Bremst es die Karriere von Frauen, wenn sie sich frauenpolitisch engagieren?

Freimuth: Nein, es sollte nur nicht ihr einziges Thema sein. Politik für Frauen berührt alle Politikbereiche.

Akgün: Aber die Politik braucht Frauen, die nach vorne gehen und sagen: Das Thema ist meins. Und zwar so lange bis alle Posten gleich verteilt sind.

Thoben: Als ich wirtschaftspolitische Sprecherin war, wurde ich von den Männern in der CDU aufgefordert, zur Frauenpolitik zu sprechen. Sie sagten zu mir: Meine Güte, immer diese Frauenbeauftragten, willst Du nicht auch mal? Ich habe geantwortet: ‚Nicht, dass ihr euch täuscht, das wird für euch nicht bequem.‘ Nie wieder habe ich so lange an einer Rede gearbeitet. Meine These war: Als Frau muss ich viel aushalten können, um nicht zur Suffragette, Emanze oder wie all die Schimpfwörter heißen, zu werden. Die Männer meiner Fraktion wurden unruhig, rutschten pausenlos auf ihren Stühlen hin und her weil ich gesagt habe: Wer sagt eigentlich, dass ein Mann mit abnehmendem Haupthaar und zunehmender Leibesfülle immer schöner wird? Und die Frau im Fernsehen musste damals ins Archiv, weil sie angeblich nicht mehr jung genug war. Als ich abends das Landtagsgebäude verließ, standen Frauen aus allen Fraktionen da und haben mich beglückwünscht. Wenn sich nicht jede dafür einsetzt, haben wir unsere eigene Geschichte nicht verstanden.

Gibt es eine parteiübergreifende Solidarität unter den Frauen? Haben Sie sich alle über die Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin gefreut?

Löhrmann: Bei aller Kritik an den Inhalten ihrer Politik: Für mich war es ein besonderer Tag. Es ist wichtig, dass eine Frau Kanzlerin sein kann.

Akgün: Es war ein richtiger Schritt. Aber irgendwann dachte ich: Verdammt noch einmal, warum wird ihr Geschlecht so raus gestellt? Das sollte doch endlich als Normalität anerkannt werden. Immer diese Fragen – sollen wir jetzt Frau Kanzlerin sagen oder Frau Kanzler und wie kleidet sie sich, welche Frisur trägt sie. Das fand ich, wie meine Tochter sagen würde, unterirdisch.

Freimuth: Ich habe mich gewundert, dass darüber so ein Aufsehen gemacht wurde, weil es doch das normalste von der Welt sein sollte, dass Frauen Kanzlerin oder Präsidentin sind.

Ist es denn so normal?

Freimuth: Normal schon, aber leider selten. Es macht mich betroffen, dass wir auch für uns selbst eine Sonderrolle definieren. Dass es für Frauen leider oftmals nicht selbstverständlich ist, Frauen in Führungspositionen zu sehen.

Thoben: Mir ist aber viel wichtiger: Egal, in welchem Ressort wir arbeiten, müssen wir die Frauenfrage mitdenken. Alles andere wäre ein großer Fehler. Wir sollten uns erinnern, wie steinig der Weg war, wie es noch der Mutter erging. Das sollten auch die Frauen nicht vergessen, die persönlich eine große Chance bekommen haben.

Hannelore Kraft wollte nicht zum Frauentag interviewt werden und auch Ihre Parteifreundin Merkel vermeidet, ihr Frausein zu thematisieren.

Thoben: Frau Merkel ist anders sozialisiert. Sie ist Naturwissenschaftlerin und in einer Diktatur groß geworden. Wenn Sie persönlich mit ihr sprechen, merken Sie, dass dieses Thema durchaus eine Rolle für sie spielt – nur nicht so marktschreierisch.

Und wie ist das bei Ihnen?

Thoben: Ich war auch nie in der Frauenbewegung aktiv. Aber ich habe immer da, wo ich gearbeitet habe, die Frauenthemen sehr ernst genommen. Zum Beispiel habe ich in meiner Zeit als Chefin der Handelskammer Münster immer darauf geachtet, dass Frauen in wichtige Positionen kommen. Und ich habe nichts dagegen, eine Quotenfrau zu sein – hauptsache ich kann beweisen, dass ich ein Amt ausfüllen kann. Ich sage das deswegen, weil einige Frauen sich besonders klug vorkommen, wenn sie sagen: Ich möchte nicht über eine Quote was werden. Die Männer akzeptieren jede Quote, nur damit sie weiterkommen. Mal als Protestant, mal als Vertriebener, mal als Ostwestfale. (alle lachen lauthals)

Löhrmann: Ich freu mich, Frau Thoben, dass sie für ein Instrument plädieren, für das die Grünen noch lange Zeit geprügelt wurden.

Akgün: Die Frauenquote ist ein wichtiges politisches Instrument, das wir nicht aus der Hand geben dürfen, bis die fifty-fifty-Situation in allen Lebensbereichten erreicht ist.

Thoben: Die FDP ist die letzte Partei, die noch diskutiert, ob sie eine Quote oder ein Quorum braucht.

Freimuth: Ich bin nach wie vor gegen die Einführung einer Frauenquote in der FDP.

Ihre Parteifreundin Silvana Koch-Mehrin fordert heute in der taz eben diese Quote.

Freimuth: Das ist ihr gutes Recht und kein unmoralisches Anliegen. Es gibt ja auch Gründe für Quoten. Aber Frauen rücken damit in eine selbst definierte Sonderrolle. Das haben wir gar nicht nötig.

„Ich habe nichts dagegen, eine Quotenfrau zu sein. Männer akzeptieren jede Quote, nur damit sie weiterkommen. Mal als Protestant, mal als Vertriebener, mal als Ostwestfale“

CHRISTA THOBEN (65) ist Wirtschaftsministerin in NRW. Zuvor war die Ökonomin die erste Präsidentin der Handelskammer Münster und Senatorin für Wissenschaft in Berlin. Sie lebt in Bochum Wattenscheid

Aber soll die Quote nicht dabei helfen, aus der Sonderrolle herauszukommen?

Freimuth: Wir müssen Frauen fördern und vernetzen. Ich ermutige Frauen zu Kandidaturen. In dem von mir geleiteten Bezirksvorstand sind drei von fünf weiblich. Ich binde Frauen ganz gezielt in Projekte verantwortlich ein. Leider stoße ich dabei immer noch auf Frauen, die einfach nicht kandidieren wollen, die zurückhaltend sind. Da kann ich noch so viel ermuntern – trotzdem fehlt den Frauen nicht selten der Anspruch. Da hätte auch eine Quote keinen Erfolg. Zudem habe ich als Juristin verfassungsrechtliche Bedenken. Dass die Quote kaum zielführend ist, zeigt das Beispiel von SPD und CDU. Da gilt die Quote nur auf dem Papier. Denn ihnen fehlen die Kandidatinnen. Deswegen werden auf ihren Parteitagen die wenigen Kandidatinnen oftmals mit äußerst geringer Stimmzahl gewählt – nur damit die Quote erfüllt ist.

Löhrmann: ... Bei uns nicht. Bei uns müssen die Kandidatinnen

50 Prozent haben, um auf die Liste zu kommen.

Freimuth: Wenn eine Quote für sinnvoll erachtet würde, dann wäre der Weg der Grünen der konsequente – aber ich betone noch einmal, dass ich gegen eine solche Quote bin.

Akgün: Ich sitze ja im Bundestag. Von den direkt gewählten Abgeordneten der NRW-SPD sind 11 Frauen und 29 Männer. Über die quotierte Liste haben wir sechs Frauen und acht Männer in der Landesgruppe. Daran sieht man, dass in den Wahlkreisen viel mehr Männer aufgestellt wurden. Männer rufen immer viel lauter ‚hier‘ und werden aufgrund dessen nominiert. Ohne die Quote auf der Liste hätten wir noch weniger Frauen.

Löhrmann: Nur wenn konsequent die Hälfte der Mandate an Frauen geht, werden sie nicht als Einzelkämpferinnen verschlissen. So müssen sie nicht alleine mit ihren Anliegen, der anderen Art zu diskutieren und der stärkeren Konsensorientierung klar kommen.

Sind Frauen wirklich anders?

Thoben: Es gab vor sechs Jahren eine Frauenmesse in Düsseldorf. Die großen Firmen haben ihre Personalvertreter geschickt und sehr schnell fest gestellt: Wirkönnen mit Frauen nicht dieselben Bewerbungsgespräche führen. Sie werden zum Beispiel gefragt: Trauen Sie sich die Aufgabe zu? Es ist empirisch belegt, dass Frauen viel selbstkritischer antworten. Der Mann plustert sich auf wie sonst was und sagt: Natürlich kann ich das. Wenn sie nicht geschlechtsspezifisch da ran gehen, machen sie einen großen Fehler.

Löhrmann: Frauen sind aber nicht die besseren Menschen. Natürlich gibt es auch Streit unter Frauen, auch erbitterten.

Akgün: Wenn ich auf Veranstaltungen oder Tagungen gehe, stecke ich viel Zeit in die Vorbereitung. Die Männer kommen, krempeln die Ärmel auf und reden einfach drauflos. Ich finde, da könnten Männer und Frauen voneinander lernen. Frauen sollten mehr Selbstbewusstsein entwickeln und Männer weniger selbstherrlich sein.

Löhrmann: Das ist durchaus realistisch. Es sind ja alles Ausprägungen und keine naturgegebenen Eigenschaften.

Sie haben die Karriere nicht gescheut. Ärgern Sie sich über Frauen, die ihr Licht unter den Scheffel stellen?

Freimuth: Ärgern ist das falsche Wort, ich bin nicht der Oberzensor. Es macht mich eher nachdenklich und auch traurig, wenn es begabte und intelligente Frauen gibt, die aus Angst vor der Macht oder der eigenen Courage keinen Gestaltungswillen umsetzen wollen.

Thoben: Das ist nicht nur ein Frauenproblem. Es gibt auch genügend Männer, die die Macht scheuen. Was mich aber genervt hat, als ich bei der Kammer war: Es war wahnsinnig schwierig, die Frauen zu einer Weiterbildung zu animieren. Weil sie die Rollenverteilung akzeptiert hatten und um spätestens fünf Uhr zu Hause sein wollten, um ihre Familie zu versorgen. Also haben wir die Kurse auf den Vormittag gelegt, um so den Druck von den Frauen zu nehmen. Den haben Männer natürlich nicht, die haben abends frei.

Löhrmann: Für Frauen muss es selbstverständlich sein, nach der Macht zu greifen. Sie dürfen nicht immer das liebe Mädchen sein wollen. Sie sollten schon früh in Selbstbehauptungskursen lernen, aus dem Muster auszubrechen. Später brauchen sie auch Vorbilder und Mentoring-Programme. Frauen müssen sehen: Das ist doch eine normale Person, die da Fraktionsvorsitzende ist.

Akgün: Neue Rollen müssen vorgelebt werden. Die Grundsteine werden beim Kleinkind gelegt. Schon als Vierjährige sagte meine Tochter zu ihrem Kindergartenfreund: ‚Fass die Fenster nicht an, mein Papa hat sie gerade geputzt‘. Da wusste ich: Sie ist auf dem richtigen Weg. Sie wird gegenüber Männern ein anderes Selbstbewusstsein an den Tag legen, als wenn ihre Mutter den Vater bedient hätte. Männer werden heutzutage doch selbst im Altenheim von ihren Mitbewohnerinnen bewirtet, weil sie angeblich nicht für sich selbst sorgen können.

Freimuth: Es gibt diese Generation von Männern, die es objektiv nicht kann, die sich aber auch immer geweigert hat, es zu lernen.

Akgün: Früher dachte ich, es würde mit jeder Generation besser werden. Diese Einstellung bekam ihren Knacks, als meine junge Sekretärin mir sagte: ‚Ich muss nach Hause und meinen Mann bekochen.‘ Da wusste ich: Es wird nicht von alleine besser.

Löhrmann: Stillstand ist Rückschritt.

Haben wir Stillstand?

Thoben: Wir sind in der Bildung ziemlich weit. Wir sind in den Hierarchien der Wirtschaft unterschiedlich weit. Es gibt Branchen wie die Werbeindustrie, da sind genauso viele Frauen vertreten wie Männer.

Warum sind Frauen in börsennotierten Unternehmen so gut wie nie an der Spitze?

Thoben: Da haben wir folgendes Problem: Die haben wahrscheinlich alle Frauenförderpläne, aber setzen sie nicht um. In den kleinen und mittleren Unternehmen klappt das besser. Wenn die eine anständig ausgebildete Frau haben, die dann Probleme kriegt, ihr Kind zu betreuen, dann finden die eine Lösung – wenn sie die Frau halten wollen.

Löhrmann: Ich sehe das nicht so positiv. Wo spiegelt es sich denn wieder, dass wir es die am besten ausgebildete Mädchengeneration haben? Jetzt machen sich alle Sorgen um die Jungen, weil sie nicht so gut lernen wie sie müssten. Und alle argumentieren nur so, als sei für die Mädchen schon genug passiert. Ich habe nichts gegen Jungenförderung, aber man darf nicht nachlassen, Mädchen zum Beispiel durch Girls Days für so genannte Männerberufe zu interessieren.

„Dass Männer in Gegenwart von uns immer weniger Zoten reißen, ist ein Fortschritt. Denn Frauen sind heute mächtiger und mit Mächtigen legt man sich nicht an.“

SYLVIA LÖHRMANN, 50, ist seit 1999 Fraktionsvorsitzende der Grünen im NRW-Landtag. Die Gesamtschullehrerin ist auch bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion.

Thoben: Wenn Männer das versuchen, bringt das gar nichts. Wenn aber die Mädchen weibliche Ausbilderinnen haben, dann ändert sich ihre Haltung total.

Frau Löhrmann, Sie waren auf einem Mädchengymnasium. Hat das Ihre Karrierechancen erhöht?

Löhrmann: Ja. Wenn ich nicht diesen Schonraum gehabt hätte, hätte ich mich nicht so entwickeln können. Ich komme aus einem konservativen Elternhaus, in dem eine solche Karriere nicht selbstverständlich war.

Und bei Ihnen, Frau Akgün?

Akgün: Ich habe eine Schwester. Mein Vater hat immer gesagt: Jede meiner Töchter ist so viel wert wie sechs Söhne. So was baut natürlich auf.

Thoben: Ich hatte das Glück, sehr viel früher als meine beiden Brüder geboren zu sein. Mein Vater war sowas von stolz auf mich. Für ihn sollte die Älteste Karriere machen.

Löhrmann: Nur wenige Töchter haben das Glück, von den Eltern genauso wie die Söhne gepuscht zu werden. Eine zeitweise Trennung in der Schule kann da abhelfen. Es reicht oft, wenn Mädchen und Jungs in bestimmten Phasen des Unterrichts Gruppen bilden, zum Beispiel in Mathe und Informatik. Als Lehrerin habe ich bewusst den Umgang mit Computern gelernt, damit meine Schülerinnen sehen: Aha, wenn die das kann, kann ich das auch.

Freimuth: So einfach ist die Gleichung nicht. Ich selbst habe eine technische Ausbildung gemacht, bevor ich Jura studiert habe und wollte Mädchen für diese Branche begeistern. Ich war immer entsetzt darüber, dass diese neue Rolle mit Empörung zurückgewiesen wurde. Jemand sagte einmal bösartig, dass Arzthelferinnen oder Rechtsanwaltsgehilfinnen noch die Option haben, ihren gut verdienenden Chef zu heiraten. Da war ich sprachlos.

Thoben: Wer mit zwanzig noch keinen Doktor hat, muss selbst einen machen.

Löhrmann: Jetzt muss Frau Akgün erklären, warum sie einen Doktor gemacht hat...

Akgün: Bei uns wird mein Mann immer mit Herr Doktor angesprochen und sagt dann: Ich habe leider keinen. Im Ernst: Selbst in den klassisch weiblichen Berufen sind Männer die Chefs. Spitzenköche zum Beispiel. Selbst die Putzfirmen gehören Männern. Wichtig ist nicht, wer welchen Beruf ergreift, sondern wer die Macht hat.

Seit CDU und FDP in NRW die Macht haben, sitzen von ihnen weniger weibliche Abgeordnete im Landtag als zu Oppositionszeiten. Bei der FDP sind zwei von zwölf Abgeordneten weiblich, bei der CDU zwölf von 89.

Thoben: Das liegt daran, dass es bei dieser Wahl viele Direktkandidaten geschafft haben und nur wenige über die quotierte Liste in den Landtag gezogen sind (siehe Kasten). Und die Direktkandidaten waren meistens Männer. Ich hatte in meiner Laufbahn immer Glück, dass die Union gerade eine Frau gesucht hat. Es gibt aber auch Frauen, die scheuen sich davor, die Chance zu ergreifen.

Und die Scheuen sitzen alle in der CDU und der FDP?

Freimuth: Nein, aber tatsächlich haben manche Frauen ein Problem mit Macht. Sie sehen sie gelegentlich als etwas Unanständiges an. Dabei ist Macht aber die Möglichkeit, gestalten zu können, Dinge zu verbessern. Als Politikerin habe ich dazu demokratisch den Auftrag bekommen und auch die Pflicht, zu gestalten.

Was können Sie als Frauen tun, damit mehr Politikerinnen im Landtag sitzen?

Thoben: Wir haben schon Einfluss. Unsere Landtagspräsidentin Regina von Dinther baggert in jedem Wahlkreis und versucht, Frauen aufzubauen. Das ist die einzige Möglichkeit, mehr Direktkandidatinnen aufzustellen.

Löhrmann: Wir brauchen vor allem Frauennetzwerke, die den Old-Boys-Networks Konkurrenz machen.

Apropos Old Boy: Friedhelm Farthmann, langjähriger SPD-Fraktionsvorsitzender in NRW und erster Landesfrauenminister, sagte einmal: ‚Der einzige Grund, warum Frauen so weit oben landen, ist der, dass sie zwischen den Beinen anders aussehen als ich.‘ Könnte er sich das noch erlauben?

„Tatsächlich haben manche Frauen ein Problem mit Macht. Sie sehen sie gelegentlich als etwas Unanständiges an.“

ANGELA FREIMUTH (40) ist stellvertretende Landesvorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der FDP. Die Wirtschaftsjuristin sitzt im Bundesvorstand der Liberalen

Thoben: Fahrtmann war oft sehr geschmacklos in seinen Äußerungen.

Löhrmann: Diese Art von Politikern gibt es bestimmt noch, aber sie outen sich nicht mehr.

Akgün: Wir haben schon eine gewisse zivilisatorische Komponente eingebracht. Solche dummen frauenfeindlichen Sprüche fallen immer seltener. Und wenn, haben die Zotenreißer nicht mehr so viel Lacher auf ihrer Seite. Oder sie müssen fünf Euro in die Chauvi-Kasse einzahlen.

Freimuth: Bei manchen Witzen reichen fünf Euro nicht mehr aus, da müssten es schon zwanzig sein. Den Optimismus, dass die Sprüche jetzt unterbleiben, teile ich nicht. Sie werden nur nicht mehr in unserem Beisein geklopft.

Akgün: Das ist doch ein Fortschritt.

Wirklich?

Löhrmann: Ja, denn das zeigt: Frauen sind heute mächtiger und mit Mächtigen legt man sich nicht an.

Akgün: In meiner Zeit als Therapeutin hatte ich eine Klientin, die war nur 1,50 Meter groß und wog 50 Kilo. Sie verprügelte ihren 80 Kilo schweren Mann nach Strich und Faden. Ich fragte neugierig, wie das möglich sei und sie sagte: ‚Seit wann hat Gewalt etwas mit Kraft zu tun? Es geht um Macht.‘ Und sie hatte Recht.

Heute ist der internationale Frauentag. Brauchen wir auch einen Männertag?

Löhrmann: Solange wir bei der Gleichberechtigung auf halber Strecke stehen geblieben sind, beteiligen wir uns aktiv am Frauentag. Wir können uns als Frauen nicht auch noch um die Männer kümmern.

Thoben: Es gibt doch einen Vatertag. Mit Bollerwagen und Bier. Im Ernst: Wenn die Männer sich selbst für so einen Tag engagieren – gerne.

Freimuth: Wenn nicht die Frauen selbst in der Frauenbewegung aktiv geworden wären, um sich andere Optionen zu eröffnen und zu erkämpfen, dann wäre es nie was geworden. Und wenn die Herren der Schöpfung ein Bedürfnis nach einem Männertag haben, müssen sie auch selbst einen Tag aussuchen. Wir haben ja 365 Tage.

Thoben: Haben Sie noch eine Frage? Ich muss jetzt regieren.