MARTIN REEH ZU DEN RÜSTUNGSLIEFERUNGEN NACH KURDISTAN
: Ein kleineres Übel

Die Erklärung von Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu den möglichen Waffenlieferungen nach Kurdistan vom Dienstag ist gleich doppelt bemerkenswert: Erstens begründet sie den Schwenk in der deutschen Außenpolitik vor allem mit der Gefahr von ausgedehnten Gebietsgewinnen des Islamischen Staates (IS) statt mit Gräueltaten. Und zweitens räumt Steinmeier ausdrücklich „Risiken“ von Waffenlieferungen ein.

Das ist ein neuer, nüchterner Tonfall in der deutschen Außenpolitik, die bisher nicht ohne Grundsatzdebatten auskam, auf humanitäre Begründungen für Militäreinsätze verwies und über ein mögliches Scheitern nicht debattieren wollte.

Steinmeiers Tonfall ist richtig: Spätestens mit dem Vorrücken der IS-Miliz in Richtung der Kurdengebiete war klar, dass der Westen eingreifen muss. Ein von militanten Islamisten beherrschtes Gebiet zwischen Libanon und Irak würde nicht nur eine ganze Region destabilisieren, sondern stellt auch für die USA und Europa ein Sicherheitsrisiko dar. Daher hinken auch Vergleiche der IS mit den Roten Khmer. Deren Terrorregime blieb ein regional begrenztes Problem.

Zugleich hat Steinmeier damit deutlich gemacht, dass es in Krisenregionen um eine Politik des kleineren Übels geht. Im konkreten Fall heißt das: Eine politische Lösung unter Einbeziehung der Regierung in Bagdad ist notwendig. Aber wer auf sie wartet, begünstigt das weitere Vorrücken der IS in den Kurdengebieten.

Gegenüber Blankoschecks für mehr militärisches Engagement, wie sie etwa Joachim Gauck mit seinen Reden heraufbeschwor, muss man skeptisch sein. Aber gegenüber dem Islamischen Staat lässt sich keine Politik der reinen Seelen machen. Die Islamisten stellen uns die Frage, ob wir überhaupt noch ein Gespür für sicherheitspolitische Bedrohungen haben.

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