Etwas Jura, viel Emotion

ERBRECHT I Es gibt keine Garantie, um einen Erbstreit zu vermeiden. Doch wer sich beraten lässt und früh das Gespräch mit den Erben sucht, verringert zumindest das Risiko

VON SEBASTIAN BRONST

Es geht um viel Geld: Rund 250 Milliarden Euro sollen die Deutschen einer Studie der Postbank zufolge im vergangenen Jahr vererbt haben – und die Tendenz ist stark steigend. Erben ist aber auch ein heikles Thema mit Potenzial für böses Blut. Viel können potenzielle Erblasser schon zu Lebzeiten tun, um für eine geordnete Abwicklung ihres Nachlasses zu sorgen. Aber eine Garantie gibt es nicht, wie die Erfahrung von Notaren und Fachanwälten auch in Norddeutschland zeigt.

Handschrift gilt

Wer sich nicht auf die gesetzliche Erbfolge verlassen will, der macht ein Testament. Dabei lauern allerdings Tücken, die auch wohlmeinende Versuche einer vorausschauenden Nachlassregelung unbeabsichtigt in Chaos verwandeln können. Zunächst einmal gibt es feste Vorgaben für die Form zu beachten: Gültig ist ein letzter Wille in Deutschland entweder nur handgeschrieben als sogenanntes privatschriftliches Testament oder als ein notariell beglaubigtes Testament, das mit Hilfe der entsprechenden Fachleute abgefasst, beurkundet und oft auch von diesen verwahrt wird.

Wer sich für ein privatschriftliches Testament entscheidet, muss wissen, dass dieses nur – und nur dann – gültig ist, wenn es komplett handgeschrieben ist. Ein Erbe, der seine Anordnungen für den Todesfall am Computer niederschreibt, ausdruckt und nur noch unterschreibt, kann sich die Mühe sparen. Das Dokument sei rechtlich völlig nichtig, erklärt der Hamburger Notar Tobias Köpp.

Fatale Mehrdeutigkeit

Weitaus häufiger und für die Betroffenen nicht selten hochgradig tragisch sind allerdings Fälle, in denen privatschriftliche Testamente unklar abgefasst sind. „Das ist dann in der Tat ein dramatischer Punkt“, berichtet Köpp aus seiner langjährigen Praxis. Es komme immer wieder vor, dass Erblasser ihre eigenen Wünsche so formulieren, dass ihr Testament rechtlich nicht zu hundert Prozent das treffe, was sie gemeint hätten. Zudem sei es immer schwierig, wenn es Interpretationsspielraum gebe und die Erben unterschiedlicher Auffassung darüber seien, welche Auslegung letztlich die richtige sei.

Falsche Sparsamkeit

Auch der Kieler Notar und Rechtsanwalt Andreas Kühnelt sieht in solchen mehrdeutigen privaten Testamenten eine Konfliktquelle. „Dann ist die Auslegung ein ganz häufiges Problem“, betont er. Oft fassten Menschen privatschriftliche Testamente mit dem Hintergedanken ab, Notarkosten zu sparen. Aus seiner Erfahrung führe das am Ende aber in vielen Fällen nur dazu, dass die Erben das Geld für Anwälte ausgeben müssten. Er rate dringend dazu, sich von vornherein beraten zu lassen.

Ein typisches Beispiel für konfliktträchtige Fallstricke beim Abfassen des Testaments durch Privatpersonen ist laut Experten das fehlende Verständnis für den Unterschied zwischen Erben und Vermächtnisnehmer.

Generell wird ein Erbe insgesamt zum Rechtsnachfolger eines Verstorbenen und erhält dessen gesamtes Vermögen, während ein Vermächtnisnehmer wiederum nur einzelne Vermögensgegenstände aus der Erbmasse zugeteilt bekommt, sei es ein Auto, einen gewissen Geldbetrag oder ein ganz spezielles Sammlerstück. Der Erbe muss sie diesem dann überlassen.

Sorgenfalten beim Notar

Kompliziert wird es dann, wenn Testamente so abgefasst sind, dass unklar ist, wer eigentlich Erbe und wer Vermächtnisnehmer ist oder ob eine solche Abstufung überhaupt existiert und eventuell auch auf andere, womöglich nicht explizit im Testament erwähnte Vermögensteile anzuwenden ist. So mag dem Laien die Formulierung: „Meiner Tochter vermache ich mein Haus, meinem Sohn meine sämtlichen Bankguthaben“ sinnvoll erscheinen, einem Notar oder Juristen aber treibt sie vor diesem Hintergrund eher Sorgenfalten auf die Stirn.

Genau ist Trumpf

Hier bleibt unklar, ob es sich um zwei Erben oder um zwei Vermächtnisnehmer handelt. Ist bei Wertdifferenzen zwischen Immobilie und Sparguthaben ein Ausgleich zwischen beiden erforderlich? Und nach welcher Quote sollen eventuell vorhandene weitere, vom Erblasser nicht erwähnte Vermögensgegenstände wie Schmuck aufgeteilt werden?

Kaum ein Umstand ist allerdings so konfliktträchtig wie eine für die Betroffenen überraschende Enterbung oder die Ungleichbehandlung von leiblichen Kindern bei der Nachlassverteilung. „In solchen Fällen kommt es oft zu ganz hässlichen Erbauseinandersetzungen“, berichtet Kühnelt.

Das habe nicht zuletzt auch damit zu tun, dass es beim Erben meist weniger um Geld allein als vielmehr um Familien und Familiengeschichten gehe. Frustrationen und Missverständnisse kämen oft nach dem Tod eines Verwandten hoch. „Ich sage immer, Erbrecht hat zu 20 Prozent mit Jura zu tun und zu 80 Prozent mit Emotionen“, sagt das Vorstandsmitglied der schleswig-holsteinischen Notarkammer.

Offen reden

Wirklich vermeiden lässt sich dies zumindest bei ganz bewussten Entscheidungen zur Enterbung einzelner Verwandter bei völliger Entfremdung oder gravierenden Zerwürfnissen jedoch kaum, meint Kühnelt. „Da können sie im Vorfeld ja auch nicht darüber reden.“

In allen anderen Fällen rät er potenziellen Erblassern dringend dazu, sich schon zu Lebzeiten mit dem Nachwuchs über ihre Nachlass-Vorstellungen austzuauschen, um spätere Überraschungen zu vermeiden. „Viele Probleme kann man lösen, indem man mit seinen Kindern offen darüber redet.“