Ausweitung der Repressionszone

CHINA Der Künstler Ai Weiwei wurde verhaftet, und der Schriftsteller Liao Yiwu muss Lesereise absagen

Der international bekannte chinesische Aktionskünstler Ai Weiwei ist nach Berichten seiner Mitarbeiter gestern früh am Pekinger Flughafen an der Passkontrolle festgenommen worden. Er wollte nach Hongkong fliegen. Per Twitter informierte ein Assistent die Öffentlichkeit. Die Polizisten hätten einem Reisegefährten erklärt, der Künstler habe „anderes zu tun“ und könne deshalb nicht mitreisen.

Zur gleichen Zeit seien mehrere Beamte in die Studiowohnung Ai Weiweis im Stadtviertel Caochangdi eingedrungen. Sie hätten seinen Computer untersucht und acht Mitarbeiter und Angestellte zum Verhör abgeholt. Bis zum Abend blieb das Schicksal des Künstlers unklar.

Damit weitet sich die Repression aus, die nicht nur in Peking, sondern in vielen Teilen Chinas zu Verhaftungen geführt hat: In den vergangenen Wochen sind nach Informationen von Menschenrechtlern in China Dutzende Anwälte, Schriftsteller, Journalisten und Internetkommentatoren festgenommen oder unter Hausarrest gestellt worden. Außerdem verschwanden mehrere prominente Bürgerrechtler, darunter auch der Anwalt Teng Biao. Die Sorge ist groß, dass sie in Polizeihaft gefoltert werden.

Ai Weiwei gehört zu den mutigsten Dissidenten in China, als Sohn eines berühmten chinesischen Dichters wagte er es in den vergangenen Jahren immer wieder, besonders heikle Themen anzuprangern. Vor wenigen Tagen hatte Ai angekündigt, er wolle sich mit einem neuen Studio in Berlin ein „zweites Standbein“ im Ausland aufbauen. Seine Lage sei in China unsicher geworden, er wolle aber nicht ins Exil gehen.

In der Provinz Sichuan zwang die Polizei derweil den Schriftsteller und Musiker Liao Yiwu, dessen Buch „Fräulein Hallo und der Bauernkaiser“ auch auf Englisch erschienen ist, seine geplante Lesereise in die USA und Australien abzusagen. Die Behörden hätten ihm erklärt, er dürfe das Land nicht verlassen, „aus Gründen der nationalen Sicherheit“, so Liao. Am Telefon erklärte eine Frau, die sich als „Bekannte“ Liaos vorstellte, der Schriftsteller sei derzeit „verreist“, es gehe ihm aber gut. JUTTA LIETSCH

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