IN NORDIRLAND IST EINE MEHRPARTEIENREGIERUNG AUCH KEINE LÖSUNG
: Protestantenführer Paisley pokert hoch

Tut er es, oder tut er es nicht? Wird der nordirische Protestantenpfarrer Ian Paisley mit seiner Democratic Unionist Party (DUP) eine Mehrparteienregierung unter Beteiligung von Sinn Féin, dem politischen Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) eingehen? Diese Frage beschäftigt die politischen Kommentatoren sowie die Regierungen in London und Dublin.

Paisley ist der deutliche Gewinner der Wahlen vom Mittwoch, deren Ergebnis gestern verkündet wurde. Das sollte ihm eigentlich genügen, um sich mit den verhassten Sinn-Féin-Politikern an den Kabinettstisch zu setzen. Doch der 80-jährige Pfarrer pokert und stellt weitere Forderungen. Bisher ist er mit dieser Taktik gut gefahren: Die britische Regierung hat stets nachgegeben, und auch Sinn Féin hat ihm seine Wünsche erfüllt. Aber die Alleinherrschaft, die er anstrebt, werden sie ihm nicht zugestehen. Denn das wäre ein perfektes Rezept für das Wiederaufleben des bewaffneten Konflikts.

Die Mehrparteienregierung wird von Sinn Féin und den Regierungen in London und Dublin als Allheilmittel für die Lösung des nordirischen Konflikts propagiert. Davon kann jedoch keine Rede sein. Die DUP ist eine zutiefst reaktionäre Partei, eine halbwegs anständige Politik ist mit ihr nicht möglich. Reformen des Arbeitsrechts und der Bildungspolitik, die Gleichstellung von Homosexuellen und andere Themen werden gar nicht erst auf die Tagesordnung kommen.

Sinn Féin wird auch das schlucken. Die Partei hat bisher schon so viele ihrer Prinzipien aufgegeben, dass sie nur noch eines will: an der Regierung beteiligt werden. Paisley weiß das und wird es ausnutzen. Da ein vereinigtes Irland auf absehbare Zeit nicht zur Debatte steht, wäre die Direktherrschaft von London die bessere Übergangslösung für die Krisenprovinz – wenn die dortige Regierung den Mut aufbrächte, Entscheidungen ohne Rücksicht auf die Befindlichkeit Ian Paisleys zu treffen. Eine nordirische Regionalregierung unter Führung der DUP verlängert lediglich die Existenz einer Gesellschaft, die auf Lagermentalität und Engstirnigkeit beruht. RALF SOTSCHECK