New Ökonomy – Bio zum Anziehen

Die 90er Jahre sind vorbei: Öko-Mode heißt nicht unbedingt Latzhose, Batikhemd und Sandale. Es gibt auch Alternativen. Zwei junge Hamburger drucken selbstgestaltete Motive auf Klamotten aus Biobaumwolle und verkaufen sie unter dem eigenen Label Fairliebt. Mittlerweile sogar in die USA

VON JULIA BRODERSEN

Wiebke schraubt die Milchtüte auf. Mathias kommt aus der Küche und stellt eine Kanne Kaffee auf den Tisch. „Ist die noch gut?“, fragt er. „Ich glaub schon“, antwortet Wiebke, „krisseln tut sie jedenfalls nicht.“ Die zwei verstehen sich. Auf seinem dunkelgrünen T-Shirt ist ein rosafarbener Baum gedruckt. Weitere zehn dunkelgrüne T-Shirts liegen gestapelt auf einer Truhe an der Wand. Bei denen haben sie sich auch verstanden. Die haben sie alle selbst gemacht.

Wiebke Hövelmeyer, 25, und Mathias Ahrberg, 22, lernten sich vor zwei Jahren über den Mitbewohner von Wiebke kennen. Zusammen gründeten sie vor rund einem Jahr ihr eigenes Mode-Label Fairliebt. Seitdem sind sie Geschäftspartner. Beide sind „fairliebt in den Gedanken, dass es auch anders geht“. Ihre Kleidung lassen sie mit fair gehandelter Biobaumwolle und unter der Einhaltung von sozialen Produktionsstandards produzieren. In den vielen Kartons in Mathias Wohnzimmer lagern die beiden keine sackartigen Leinenhemden, sondern T-Shirts mit passendem Schnitt und selbstentworfenen Designs.

„Fern von jeder Räucherstäbchen-Attitüde wollten wir einfach ökologische Kleidung machen“, sagt Mathias. Kleidung zu designen, die ohne ein schlechtes Gewissen tragbar und eine Alternative zu den üblichen Modemarken sei, habe sie schon seit längerer Zeit gereizt. Mitten in der Nacht bestellte Mathias dann spontan im Internet drei T-Shirt-Proben bei verschiedenen Fairhandel-Unternehmen. „Als die Proben dann da waren, meinte Mathias zu mir einfach ‚So, das machen wir ab jetzt‘“, sagt Wiebke, „und so haben wir es dann auch gemacht.“

Neben dem zerknautschten Sofa in Mathias’ Wohnzimmer hängt an der Wand ein Poster. Vor rosafarbenem Hintergrund springt da ein glitzernder Delfin durch blasslila Wellen. So kitschig ist ihre Mode nicht. „Als unsere Freunde erfahren haben, dass wir nun Klamotten designen, wurde schon sehr viel gelacht“, sagt Wiebke, „in unserem Freundeskreis hat bisher Kleidung oder Mode keinen hohen Stellenwert eingenommen.“ Zehn Euro sei für viele ihrer Freunde schon der maximale Preis, den sie für ein T-Shirt bezahlen würden. Rund zwanzig Euro kostet ein T-Shirt von Wiebke und Mathias. „Wir finden den Preis fair, da er die sozial-verträgliche Herstellung beinhaltet“, sagt Mathias. Bio-Baumwolle und das Siebdruckverfahren sind nun mal nicht für zehn Euro zu haben. Die Freunde haben irgendwann aufgehört zu lachen und sind jetzt ihr größter Abnehmer.

Auch Mathias selbst trägt öko. Neulich im Waschcenter ist es ihm aufgefallen. Ein Fairliebt-Shirt nach dem anderen hat er da aus der Trommel gezogen. „Ich hab gar nicht gemerkt, dass ich bereits selbst so viele T-Shirts von uns besitze“, sagt er. „Das hat sich irgendwie so in meinen Kleiderschrank geschlichen.“ Heute trägt er auch eines.

Für die beiden T-Shirt-Drucker ist es aber immer noch ein komisches Gefühl, wenn fremde Menschen auf der Straße ihre Klamotten tragen oder einen Fairliebt-Leinenbeutel am Handgelenk baumeln haben. „Gerade vor kurzem im Club habe ich jemanden in einem unserer T-Shirts gesehen“, sagt Wiebke, „da hab ich mich total gefreut.“

Ihre aktuelle Kollektion besteht aus T-Shirts, kurzen Tops für Mädchen, Buttons und Beuteln. Die sechs verschiedenen Druckmotive heißen „Turbostart“, „Baumhaus“, „Zugvögel“, „Irrgarten“, „Meeresspiegel“ und „Records & me“. „Die Ideen zu den Motiven kommen mir von ganz alleine, da muss ich nur mal etwas aufmerksamer über die Straße gehen“, sagt Wiebke, die nach ihrem Studium an der Akademie Mode und Design ein Praktikum in einem Grafikbüro machte. Die „Zugvögel“-Shirts mit dem Motiv von vier großen Möwen sind der Dauerbrenner unter den T-Shirts. Beim Design „Turbostart“ gab’s schon mal Kritik. Das T-Shirt zeigt ein flitzendes Auto, das eine Piste hoch saust. Ein Auto auf ökologischer Kleidung – das passe nicht zusammen, schrieb ein umweltbewusster T-Shirt-Träger in einem Blog. Mathias muss grinsen. „Vielleicht fährt es ja mit Bio-Diesel.“

Wiebke und Mathias nehmen ihre Sache ernst. Trotzdem: Irgendwie finden sie alles auch ein wenig lustig. Die gestapelten T-Shirts hier im Wohnzimmer, das offizielle Briefpapier mit eigenem Logo, ihre Aufgabenverteilung und das eigene Marketing. Beide rühren in ihren Kaffeebechern. „Einen genauen Überblick, wie viel wir von welchen Shirts verkaufen, haben wir gar nicht“, sagt Mathias, „wir drucken ungefähr alle zwei Monate nach und sehen dann, was am besten läuft.“ Die lockere Verkaufsstrategie klappt. Mittlerweile haben sie Bestellungen aus Frankreich, der Schweiz, Österreich und den USA.

Allein von den T-Shirts, Buttons und Leinenbeuteln leben können sie aber noch nicht. Wiebke hilft derzeit freiberuflich einem blinden Mann bei seiner Arbeit. Mathias studiert an der Uni Hamburg Volkswirtschaftslehre. Nur zu studieren käme für ihn aber nicht in Frage. „Für manche mag das Studentenleben ausreichen“, sagt er, „ich sehe aber meinen Lebensmittelpunkt nicht in der Uni.“ Fairliebt ist da der Ausgleich. Bis jetzt ist ihr eigenes Label ein guter Zuverdienst neben Arbeit und Studium. Die einzelnen Produkte verkaufen die beiden bis zum jetzigen Zeitpunkt nur über einen Online-Shop auf ihrer Internetseite www.fairliebt.com.

„Ein eigener Laden ist schon ein Traum von uns“, sagt Wiebke.

Eine Zeit lang hatten sie ein paar ihrer T-Shirts in einem kleinen Geschäft in der Schanze im Verkauf. Doch um überhaupt etwas Gewinn machen zu können, mussten sie den Preis eines einzelnen Shirts fast verdoppeln. Das fanden sie blöd. „Für vierzig Euro würde ich mir auch kein T-Shirt kaufen“, sagt Mathias, „außerdem will man ja auch nicht, dass jeder Schanzenyuppie in unseren Klamotten rumläuft und glaubt, dadurch ein bisschen Lifestyle am Körper zu tragen.“ Da verkaufen sie ihre Mode lieber über das Internet, auch wenn sie so auf den direkten Kundenkontakt verzichten müssen.

Eigentlich hatten sie für diesen Winter eine neue Pullover-Kollektion geplant, doch die angeforderten Pulli-Proben entsprachen nicht ganz ihren Vorstellungen. „Irgendwie waren die komisch geschnitten“, sagt Mathias, „alle Produkte, die wir verkaufen wollen, müssen uns vorher wirklich hundert Prozent selbst gefallen.“ Die T-Shirts lassen sie sich von einem Fairtrade-Unternehmen schicken. Das eigentliche Gestalten liegt dann nur noch im Bedrucken der T-Shirts. Das passiert bei Mama und Papa. Die Eltern von Mathias leiten eine eigene Werbeagentur in Rheine in Nordrhein-Westfalen. „Ich schätze meine Eltern da auch sehr ökologisch ein“, sagt Mathias und grinst, „sie arbeiten mit Energiesparlampen und dem Siebdruckverfahren.“

Im Sommer erwarten Wiebke und Mathias einen kleinen Verkaufs-Boom. Mit der Hitze steigt die Nachfrage nach kurzen Ärmeln.