SVEN HANSEN ÜBER DAS WAHLDESASTER IN AFGHANISTAN
: Das 13. Jahr

Das auf Karsai ausgerichtete politische System verkörpert keinen pluralistischen Wettbewerb

Zehn Wochen nach der Stichwahl um die Präsidentschaft gibt es in Afghanistan noch immer kein Ergebnis. Wird demnächst der Exfinanzminister Ashraf Ghani zum Sieger und neuen Staatsoberhaupt erklärt, werden ihn die Anhänger des damit zum Verlierer gemachten Abdullah Abdullah nicht als legitim anerkennen. Ihr Protest – in welcher Form auch immer – dürfte weiter zur Unregierbarkeit beitragen. So endet die mit großer Beteiligung wie mit großer Risikobereitschaft der Bevölkerung durchgeführte Wahl, die den ersten friedlichen Machtwechsel am Hindukusch ermöglichen sollte, in einem Desaster. Das diskreditiert in den Augen vieler Afghanen die Demokratie.

Diese Demokratie, die nach Monarchie, Autoritarismus, Realsozialismus, Kriegsfürstentum, Talibanherrschaft und immer wieder Krieg mit der US-Invasion an den Hindukusch kam, war mit großen Hoffnungen verbunden. Die Afghanen erhielten Wahlen und Parlamente als rein formale Elemente. Die Substanz, also unabhängige demokratische Institutionen und lebendige Parteien, bekamen sie jedoch nie. Für den Westen war es bequemer, mit seinem anfänglichen Darling Hamid Karsai zu kungeln, als mühsam Entscheidungsprozesse von der Basis her zu entwickeln.

Karsai ist inzwischen als Problem erkannt, doch die Institutionen wie etwa die Wahlkommission bleiben schwach. Wahlen sind leicht manipulierbar. Das völlig auf den Präsidenten in Kabul ausgerichtete politische System verkörpert keinen pluralistischen Wettbewerb mit funktionierender Gewaltenteilung, sondern einen selbstherrlichen Zentralismus, den nur bewaffnete Kräfte in den Provinzen begrenzen.

Im 13. Jahr ihrer direkten Invasion sind die USA und ihre Nato-Partner nicht nur militärisch in Afghanistan gescheitert, sondern auch politisch.

Ausland SEITE 11