Lettischer Multimillionär hinter Gittern

Der lettische Oligarch Aivars Lembergs musste jetzt von Ventspils in ein Rigaer Gefängnis umziehen. Er wird unter anderem der Geldwäsche und Korruption beschuldigt FOTO: AP

Mal verdächtigten ihn seine GegnerInnen ein russischer Agent zu sein, mal verglichen sie ihn mit Italiens Berlusconi oder Weißrusslands Lukaschenko. In Lettlands wichtigster Hafenstadt Ventspils, deren Bürgermeister er seit über 18 Jahren ist, tat dies der Unterstützung für Aivars Lembergs bislang keinen Abbruch. Dort ist der Multimillionär der unangefochten populärste Politiker. Bei den letzten drei Wahlen stimmten jeweils drei Viertel der WählerInnen für ihn. Seit Mittwoch vergangener Woche sitzt der Geschäftsmann und Politiker nun im Matisa-Gefängnis in der Hauptstadt Riga. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Bestechlichkeit, Geldwäsche und Korruption sowie Vergehen gegen das Steuerrecht vor. Laut Medien soll es um Beträge von über 13 Millionen Euro gehen.

Dem 53-jährigen Lembergs, eine der Hauptfiguren im Geschäft der Verschiffung russischen Erdöls über die Ostsee, hatte das US-amerikanische Magazin Newsweek schon vor Jahren einmal vorgerechnet, bei einem Bürgermeistergehalt von 7.112 Euro ein Einkommen von jährlich über rund einer Million Euro erwirtschaften zu können. Wie, so fragte das Blatt weiter, sei denn so etwas möglich?

„Delna“, der lettische Zweig der Antikorruptionsorganisation Transparency International des Finanzjongleurs George Soros, hat eine Antwort. Dort stuft man Ventspils als die korrupteste Stadt Lettlands – einem Korruptionsspitzenland der EU – ein. „Man kann in dieser Stadt nicht von demokratischen Wahlen sprechen“, sagt Delna-Chef Roberts Putnis. Der Oligarch Lembergs habe vom Hafen über Transportfirmen bis hin zu den wichtigsten nationalen Medien überall seine Finger im Spiel und sich mit Hilfe seiner finanziellen Ressourcen politischen Einfluss erkauft.

Auf lokaler Ebene hatte er schon Mitte der Neunzigerjahre die Partei „Latvijai un Venstpilij“ („Für Lettland und Ventspils“) gegründet, bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr kandidierte der verheiratete Ökonom für die zweitstärkste Partei des Landes, die „Grünen/Bauernverband“, als deren Ministerpräsidentenkandidat.

Lembergs sieht in Ventspils, die die wohlhabendste Stadt Lettlands ist und die niedrigsten Arbeitslosenrate hat, die „Lokomotive der wirtschaftlichen Entwicklung“ des Landes. Er wirft seinen Kritikern vor, nur neidisch auf seine Erfolge zu sein. Auch nachdem das Gericht in der vergangenen Woche nach sechsstündiger Verhandlung seine Untersuchungshaft angeordnet hatte, sprach Lembergs davon, dass versucht werde, ihn mit „moralischem und psychologischen Druck“ zu zerstören. Hinter dem Verfahren vermutet er politische Motive.

REINHARD WOLFF