Zwei Sprachen mit einer Klappe

Über Bilderbuchkino und Lesepatenschaften will die Bürgerstiftung die Deutschkenntnisse von Migrantenkindern und deren Eltern verbessern und sie langfristig in die Gesellschaft integrieren. Dafür erhielt sie gestern den Preis der Aktiven Bürgerschaft

„Wenn die Eltern sich für die Sprache interessieren, tun es die Kinder auch“

VON NANA GERRITZEN

Diese Woche gucken sich die Schüler der Teltow Grundschule in Schöneberg die Abenteuer des kleinen Eisbären Lars an. Über einen Projektor werden die Bilder des bekannten Kinderbuchs an die Wand gestrahlt. Dazu wird die Geschichte erzählt. Eisbär auf Türkisch heißt beyaz ayi.

Von den rund 330 Schülerinnen und Schülern der Teltow Grundschule in Schöneberg stammen mehr als 90 Prozent aus Zuwandererfamilien. Für die meisten dieser Kinder ist Deutsch die zweite Sprache. Erst im Kindergarten oder in der Grundschule kommen sie mit ihr in Berührung. Zu dem zweisprachigen Bilderbuchkino werden wöchentlich Schüler, Mütter und jüngere Geschwister in die Schule eingeladen. Bei Tee und Keksen werden Bilderbücher als Diavortrag gezeigt und von einer Lesepatin auf Deutsch vorgelesen. Eine bilinguale Migrantin übersetzt den Text im wöchentlichen Wechsel in die jeweilige Muttersprache der Schüler: türkisch, arabisch und serbokroatisch. Anschließend wird über die Geschichte gesprochen. „Die Idee des Projekts ist es, Eltern und Kinder gemeinsam mit der fremden Sprache vertraut zu machen“, sagt Uta Jankowsky, die Projektkoordinatorin der Berliner Bürgerstiftung.

Für das Bilderbuchkino und Lesepatenschaften erhält die Bürgerstiftung dieses Jahr den Förderpreis der aktiven Bürgerschaft. In einer feierlichen Verleihung überreichte Bundespräsident Horst Köhler gestern Abend den mit insgesamt 25.000 Euro dotierten Preis. Damit prämiert die Aktive Bürgerschaft seit zehn Jahren gemeinnützige Projekte, die die Gesellschaft in ihrer Stadt vorbildlich und nachhaltig verändern. Thema des diesjährigen Wettbewerbs ist die Integration von Zuwanderern.

„Wir gehen Probleme an, die der Staat kurzfristig nicht lösen kann“, erklärt Jankowsky. Dabei seien sie als Bürgerstiftung auf den Einsatz ehrenamtlicher Mitarbeiter angewiesen. Unter dem Motto „Gemeinsam Zukunft gestalten“ engagieren sich inzwischen mehr als 250 Berlinerinnen und Berliner in der 1999 gegründeten Stiftung. „Es ist uns wichtig, dass unsere Projekte kostengünstig und auf andere Einrichtungen übertragbar sind“, so Jankowsky. Trotz straffer Organisation und ehrenamtlicher Mitarbeit entstünden jedoch Kosten, die Spenden und Fördergelder decken.

Zu den von der Aktiven Bürgerschaft ausgezeichneten Projekten gehört auch die Lesepatenschaft „LeseLust“, an dem mehr als 220 ehrenamtliche Mitarbeiter beteiligt sind. Einmal wöchentlich gehen sie an eine Grundschule oder Kindertagesstätte, um sich mit einer kleinen Kindergruppe Bücher anzuschauen, vorzulesen und vorlesen zu lassen. Ziel ist es, die Lust am Lesen zu fördern und die Sprachfähigkeiten – insbesondere von Kindern mit Migrationshintergrund – zu fördern. An dem Projekt beteiligt sind derzeit acht Grundschulen und eine Kindertagesstätte. „Der Anteil von Migrantenkindern liegt zwischen 70 und 90 Prozent“, so Jankowsky.

Um nicht nur die Kinder, sondern auch die Mütter sprachlich zu fördern und zu integrieren, ist das Bilderbuchkino an einen kostengünstigen Sprachkurs gekoppelt, bei dem die teilnehmenden Mütter an zwei Vormittagen in der Woche ihre Deutschkenntnisse verbessern können. „Es ist sehr schwer, Mütter für dieses Projekt zu gewinnen. Wenn sie einmal dabei sind, kommen sie aber auch gerne und sind sehr engagiert“, erzählt Gudrun Wolff. Die Lehrerin der Teltow Grundschule leitet die Sprachkurse für die Migrantenmütter und betreut die Bilderbuchkino-Nachmittage. Trotz des schwierigen Anlaufs ist die Pädagogin von dem Erfolg des Projektes begeistert: Es gebe mehr Interaktion zwischen Schule und Eltern, Mütter, die sonst kaum für Elternsprechtage und Elternabende zu begeistern waren, stünden nun im regelmäßigen Dialog mit den Lehrkräften. „Das Projekt ist viel mehr als nur Sprachförderung“, so Wolff.

Durch die Treffen würden sich die Mütter austauschen, Erziehungstipps annehmen und sich aktiver mit ihren Kindern beschäftigen. Das Bilderbuchkino sei ein gelungenes Projekt zur Integration von ganzen Familien. „Denn wenn die Eltern sich für die Sprache interessieren, tun es die Kinder auch“, ist sich Gudrun Wolff sicher.

der tag SEITE 2