Biennale von Sharjah droht Boykott

Widersprüchlicher kultureller Ehrgeiz der Scheichs

Sie haben sich durch ihre Erfahrungen mit der zeitgenössischen Architektur blenden lassen. Doch Kunst und Künstler sind nicht so bequem einzukaufen wie Architekten und ihre Prestigebauten. Das erleben nun die Scheichs der Vereinten Arabischen Emirate. Frank Gehrys Ehrgeiz reicht eben nicht über die Mauern des Museums hinaus, das er für die Guggenheim Foundation in New York und die Scheichs von Abu Dhabi auf Saadiyat Island baut. Wie man dahin kommt, ob auf einer achtspurigen Autobahn oder mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln, interessiert ihn so wenig wie die Arbeitsbedingungen auf seiner Baustelle. Die Bauausführung liegt ja bei einer lokalen Firma.

Der Ehrgeiz von Künstlern reicht weiter. Walid Raad, Mona Hatoum, Shirin Neshat oder Akram Zaatari, um nur einige zu nennen, interessieren die Bedingungen, unter denen der Kunsttempel entsteht, in dem bald ihre Werke gezeigt werden sollen. Deshalb intervenierten sie gegen diese Bedingungen und haben die Guggenheim Foundation zum Handeln gezwungen.

Dem Nachbaremirat Sharjah droht nun ähnliches Ungemach. Dort ist seit Dienstag im Netz der Aufruf „Sharjah Call for Action“ veröffentlicht. In ihm fordert die internationale und die lokale Kunstszene eine Garantie für die intellektuelle Souveränität der Sharjah Art Foundation, sonst habe man „keine andere Wahl, als die Sharjah Biennale und andere kulturellen Aktivitäten des Emirats zu boykottieren“.

Vorausgegangen war die Abberufung Jack Persekians, des Direktors der Sharjah Art Foundation. Nicht nur das anstößige Kunstwerk des algerischen Künstlers Mustapha Benfodil, das den Grund für Persekians Entlassung lieferte, auch eine Reihe weiterer Kunstwerke wurde aus der bis zum 16. Mai laufenden Schau entfernt. Zudem wurde eine bösartige Kampagne gestartet, mit der „die Öffentlichkeit bewusst falsch informiert und Persekians Ruf wie seine wegweisende Arbeit, die er in Sharjah geleistete hat, untergraben werden sollen“.

Tatsächlich hat die Biennale des Wüstenstaats mit dem Amtsantritt von Jack Persekian 2005 stetig an internationaler Reputation gewonnen. Mit Unterstützung von Scheicha Hoor al-Quasimi, der Tochter des Emirs, entwickelte der palästinensische Kurator sie zu einem wirkungsvollen Instrument, das Selbst- und Fremdbild der Region künstlerisch zu definieren.

Der Skandal macht den widersprüchlichen kulturellen Ehrgeiz der Emirate deutlich. Sie wollen mit zeitgenössischer Kunst nur teure Werte, Status und Prestige einkaufen, die unbequemen Themen, Fragen und Forderungen der Kunst sollen aber wie gewohnt unterdrückt und verboten werden. Doch anders als die Architekten, mit denen autokratische Herrscher erfahrungsgemäß leichtes Spiel haben, sehen sich Kuratoren und Künstler in der gesellschaftlichen Verantwortung. WBG