Von der Krise im Lande profitiert die Armee

PAKISTAN Politiker beklagen das Ende der Demokratie, falls die Armee zum Schiedsrichter im gegenwärtigen Konflikt werde

BANGKOK taz | Pakistans Armeechef Raheel Sharif hat am Sonntag auf die Zusammenstöße von Regierungsgegnern und Sicherheitskräften im Regierungsviertel von Islamabad reagiert und ein für Montag geplantes Treffen der Korpschefs auf Sonntag vorgezogen. Lokale Medien berichteten, dass dabei auch eine Strategie erarbeitet werden solle, den politischen Engpass zu beenden.

Damit steigt die Sorge vor einer – wie auch immer gearteten – Intervention der Armee. Vergangene Woche haben Berichte für Aufsehen gesorgt, wonach Sharif sowohl mit den Protestführern als auch mit der Regierung Gespräche über ein Ende der Krise geführt hat. Politiker und Aktivisten kritisierten die Einbeziehung der Armee in zum Teil scharfen Worten. Javed Hamshi, der Vorsitzende von Imran Khans Tehreek-e-Insaf-Partei (PTI), sagte einem Fernsehsender, es sei „beschämend“, dass die Politiker die Krise nicht alleine gelöst hätten. Eine wahre Demokratie könne es nur geben, wenn Politiker in der Lage seien, eigene Entscheidungen zu treffen. Beißende Kritik kam auch von einem Richter im Ruhestand: „Das ist das Ende der Demokratie, der Verfassung und der Oberhoheit des Parlaments in diesem Land“, sagte Tariq Mehmood. Die Einbeziehung des Armeechefs in die Verhandlungen sei „eine kollektive Schande für alle Politiker“.

Und in der Tat dürfte von der gegenwärtigen Krise nur die Armee profitieren. Einige Beobachter gehen in ihren Einschätzungen noch weiter: Sie weisen darauf hin, dass die Proteste wie maßgeschneidert wirkten, um eine Intervention der Armee zu provozieren. Die Armee hat Pakistan seit der Staatsgründung 1947 mehr als die Hälfte der Zeit über direkt kontrolliert und verfügt bis heute über erheblichen Einfluss. Eingriffe des Militärs in die Politik sind daher höchst umstritten. Ironischer Weise ist die Regierung von Nawaz Sharif nun auf das Wohlwollen der Armee angewiesen. Sharif wurde während einer früheren Amtszeit als Premier 1999 von der Armee in einem Putsch aus dem Amt entfernt. Jetzt sichern Soldaten die wichtigsten Gebäude im Regierungsviertel von Islamabad.

Schon seit Monaten nehmen die Spannungen zwischen Pakistans Generälen und der Regierung zu. So steht derzeit etwa der frühere Armeechef Pervez Musharraf wegen Hochverrats vor Gericht. Bislang hat sich die Regierung dem Druck, ihren früheren Oberkommandeur ins Ausland reisen zu lassen, nicht gebeugt. Dieses Zugeständnis könnte Armeechef Sharif jetzt einfordern. SASCHA ZASTIRAL