Gemäßigt, aber stark

Bei der Wahl zur mächtigen Mitarbeiter KG beim „Spiegel“ sind die radikalen Kandidaten gescheitert: Ganz ruhigen Zeiten kann Chefredakteur Stefan Aust nun aber auch nicht entgegensehen

Bei der Wahl zur Spiegel-Mitarbeiter KG haben sich die Favoriten durchgesetzt: Armin Mahler, Ressortleiter Wirtschaft, und Marianne Wellershoff, Leiterin der Kulturspiegel-Beilage, vertreten fortan die Redaktion in der Führung der Mitarbeiter KG. Die KG ist mit 50,5 Prozent größte Gesellschafterin beim Spiegel, wodurch sie entscheidenden Einfluss auf die Zukunft von Chefredakteur Stefan Aust sowie dessen mögliche Nachfolge hat. Austs Vertrag läuft noch bis 2008, er hat aber die Option auf zwei weitere Jahre an der Spitze des Hamburger Magazins.

Die Wahl galt als wegweisend, weil sich mit Politikreporter Thomas Darnstädt sowohl ein Aust-Gegner als mit Gabor Steingart, dem Leiter des Hauptstadtbüros, auch ein Aust-Unterstützer zur Wahl gestellt hatten (siehe taz vom 8. 2.). Beide fielen jedoch durch: Darnstädt, bisheriger Sprecher der Mitarbeiter KG, kam nur auf 101 Stimmen. Steingart landete mit 69 Stimmen abgeschlagen auf dem letzten Platz. Mahler und Wellershoff konnten 163 bzw. 157 Stimmen auf sich vereinen. Sie gelten als gemäßigt in der Auseinandersetzung um Aust und seine Blattlinie. Gleichzeitig könnten sie der Mitarbeiter KG dadurch aber auch mehr Durchsetzungsvermögen gegen den Chefredakteur verleihen: Hätte sich mit Steingart oder Darnstädt ein polarisierender Kandidat durchgesetzt, hätte sich das Gremium wohl in internen Streitereien aufgerieben. Dass Aust die Vertragsverlängerung versagt wird, gilt aber als unwahrscheinlich.

Steingart, dem lange Zeit Ambitionen auf die Aust-Nachfolge nachgesagt wurden, soll nun planen, als Korrespondent in die USA zu wechseln.

Jenseits der Auseinandersetzung um Aust hat vor allem die Wahl von Wellershoff Signalwirkung: Mit der 43-jährigen Kulturredakteurin rückt erstmalig eine Frau beim Spiegel in eine exponierte Position auf. Bislang sind alle Ressortleiter männlich, nur das Gesellschaftsressort kann eine Stellvertreterin vorweisen. Wellershoff hatte diesen Aspekt im internen Wahlkampf stark betont und damit sowohl bei Männern als auch Frauen, die der Männerlastigkeit im Spiegel überdrüssig sind, kräftig punkten können.

Außerdem in der Führung der Mitarbeiter KG vertreten sind Thomas Hass (Vertrieb), Rainer Buss (Controlling) und Cordelia Freiwald (Dokumentation). Turnusmäßig soll der Sprecherposten nun von einer Person aus dem Verlag übernommen werden. Die Wahl dazu ist für April angesetzt. Hannah Pilarczyk