Pariser Kotau vor Peking

Frankreich schließt mit China ein Justiz-Kooperationsabkommen. Flüchtlingen droht eine Auslieferung – ungeachtet der dort herrschenden Todesstrafe. Menschenrechtler protestieren. Das Abkommen muss noch ratifiziert werden

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Wer von der chinesischen Justiz verfolgt wird und nach Frankreich geflohen ist, riskiert künftig die Auslieferung an seine HäscherInnen. So steht es in dem vermutlich letzten internationalen Abkommen dieser Legislaturperiode, das am Dienstagabend in Paris mit diplomatischer Diskretion unterzeichnet worden ist. Frankreich ist damit das dritte europäische Land, das China mit einem Justiz-Kooperationsabkommen zum Rang eines Rechtsstaates verhilft – nach Spanien und Portugal.

Chinas Vizeaußenminister Dai Bingguo freute sich in Paris über die Anerkennung für sein Regime. Die Präsidentin von amnesty international in Frankreich, Geneviève Sevrin, sprach von einem „Skandal“. Sie appellierte gestern an die künftigen Parlamentsabgeordneten in Paris und an die oder den künftigen StaatspräsidentIn, das Abkommen nicht zu ratifizieren.

Bereits am Vorabend hatten die sozialistische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal und der Rechtsliberale François Bayrou öffentlich einen Boykott der Olympischen Spiele in Peking erwogen. Die beiden PolitikerInnen traten bei einer Darfur-Veranstaltung auf. Mit dem Boykott wollen sie dagegen protestieren, dass China im Weltsicherheitsrat Sanktionen gegen den Sudan blockiert. Der rechte Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy nahm an der Veranstaltung nicht teil. Das Thema Menschenrechte und China ist nicht im französischen Präsidentschaftswahlkampf angekommen. Der Vertrag über die Justizzusammenarbeit geht auf eine politische Initiative auf höchster Ebene zurück. Jacques Chirac besprach ihn bei seinem Staatsbesuch im vergangenen Oktober mit dem chinesischen Präsidenten. Chirac reiste im Herbst in der üblichen Begleitung von LobbyistInnen der französischen Flugzeug-, Atomenergie- und anderer Industriezweige in das bevölkerungsreichste Land der Welt. Für Chirac wie für die meisten europäischen PolitikerInnen ist China vor allem ein gigantischer Markt.

Bei der Unterschrift am Dienstagabend in Paris betonte der französische Justizminister Pascal Clément, dass ChinesInnen, die die Todesstrafe riskieren, nicht ausgeliefert würden. Auch ChinesInnen, die wegen „militärischer oder politischer Delikte“ verfolgt würden, seien nicht von dem Auslieferungsabkommen betroffen. MenschenrechtlerInnen in Paris hingegen weisen darauf hin, dass es in dem bilateralen Abkommen keinerlei Garantien für die Betroffenen gibt.

„Wenn China jemanden zum Tode verurteilen will, muss es bloß warten, bis die Person auf dem nationalen Territorium angekommen ist“, erklärte die französische Amnesty-international Chefin Sevrin gestern in einem Radio-Interview. „Das Abkommen sieht keine verlässliche Garantien vor“. Sevrin zitierte unter anderem den Fall eines Chinesen, der im Jahr 2003 von Pakistan ausgeliefert worden ist. Nach seiner „Heimkehr“ wurde die Anklage gegen ihn geändert. Am 2. Februar dieses Jahres wurde der Mann hingerichtet.