Bloß nicht den Mappus machen

PROTESTE Die CSU hat Angst vor den Wutbürgern. Gleich gegen drei Großprojekte in Bayern gibt es Widerstand. Nun soll die greise Allzweckwaffe der Union helfen: Heiner Geißler

„Das Thema Startbahn könnte eskalieren wie Stuttgart 21“

JOSEF GÖPPEL (CSU)

AUS MÜNCHEN BERNHARD HÜBNER

Manchmal reicht schon plätschernder Regen, um eine Protestbewegung auszubremsen. Die Bürgerinitiative sucht in der Einfahrt des Rathauses Schutz. „Dieser Baum bleibt hier“ steht auf Banderolen, „Hat man aus Stuttgart 21 nichts gelernt?“ auf Flugblättern. Die wollten sie eigentlich auf der Straße verteilen. Wäre da nicht dieser Regen.

Grund für den Aufruhr: Am Donnerstag hat der Münchner Stadtrat beschlossen, in diesen Tagen die Vorarbeiten für einen weiteren S-Bahn-Tunnel zu starten. Nur so könne die neue Röhre rechtzeitig zu den erhofften Olympischen Winterspielen 2018 fertigwerden. Schon in wenigen Tagen wird gleich hinter dem Münchner Rathaus eine Baugrube klaffen – für die nächsten sieben Jahre. Hunderte Bürger wehren sich seit Monaten erfolglos. Das scheint sich nun zu ändern. Ihr Protest finde plötzlich auch bei der Regierungspartei CSU Rückhalt, erzählt Martin Heldmann von der Bürgerinitiative S-Bahn-Tunnel Haidhausen. Einige in der Union seien bereits umgeschwenkt, sagt Heldmann. Er meint: „Es liegt nicht an den Argumenten, es liegt an den Begleitumständen.“

Die Begleitumstände: CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus in Baden-Württemberg, gestolpert über das Großprojekt Stuttgart 21, in die Opposition gejagt von den Wutbürgern. Nun schwappt die Angst vorm Machtverlust durch Widerstand gegen Großprojekte auf die CSU-FDP-Regierung im Nachbarbundesland Bayern über. Die Angst ist so groß, dass sich die Mächtigen Beistand von außen herbeiholen. Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hat verkündet, sie werde den Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler in den Bayerischen Landtag einladen. Ihre Begründung: Angesichts der anstehenden Großprojekte könnten die Politiker im Freistaat viel von ihm lernen.

Grüne und SPD haben derweil den geplanten Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen zum „Stuttgart 21 von Niederbayern“ erklärt. Derzeit ist die Landesregierung uneinig, wie die Donau für die Schifffahrt ausgebaut werden kann. Die FDP favorisiert einen naturnahen Ausbau ohne Staustufen. Umweltminister Markus Söder ebenfalls. Doch eine Mehrheit in der CSU, rund um den Wirtschaftsausschuss-Vorsitzenden Erwin Huber besteht auf den Bau von mindestens einem Stauwehr, um die Donau für die Frachtschifffahrt attraktiver zu machen. Umweltschützer und Anwohner protestieren. „Der Widerstand wächst weiter“, sagt Richard Mergner vom Bund Naturschutz. „Wenn die Bagger rollen, werden sich Widerstandslager bilden. Die CSU müsste sich warm anziehen, wenn sie das wirklich durchziehen wollte.“

Für sieben Jahre soll hinter dem Münchner Rathaus eine Bau- grube klaffen

Beim Bau der dritten Startbahn für den Münchner Flughafen hat die CSU bereits schmerzhafte Erfahrungen mit der Wählerwut gemacht. Die Regierung glaubt, der Bau sei nötig, damit der Münchner Airport weiter wachsen kann.

Bei der Landtagswahl 2008 verlor die Union in Freising massiv an Stimmen, zu Gunsten der Grünen. Und das war vielleicht erst der Anfang. „Das Thema dritte Startbahn könnte so eskalieren wie der Streit über den Bahnhof in Stuttgart“, sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel. Er hat das Bündnis der Startbahngegner in die CSU-Zentrale eingeladen, zu einer Sitzung des „Arbeitskreises Umwelt“. Göppels Arbeitskreis schrieb darauf einen Bericht an Parteichef Seehofer, in dem der wirtschaftliche Bedarf an einer dritten Startbahn offen angezweifelt wird. Eine Reaktion gab es nicht. „Es ist genauso wie beim Thema Atom“, meint Göppel. „Für eine starke Gruppe in der CSU gehören Großprojekte wie Kernenergie zum Markenkern.“ Doch die Gruppe der CSUler, die für andere Lösungen offen sei, werde immer stärker.

„Bei der CSU hört man immer mehr Stimmen, die intern zweifeln“, sagt Hartmut Binner vom Aktionsbündnis Aufgemuckt. Die Startbahngegner touren gerade durch Bayern, besuchen die CSU- und FDP-Abgeordneten an ihren Wohnorten und suchen das direkte Gespräch. Der größte Erfolg bisher: Ministerpräsident Seehofer hat die Startbahngegner wiederholt in die Staatskanzlei eingeladen. „Wir haben immer noch die Hoffnung, dass er es ernst nimmt“, meint Binner. „Sonst gibt es direkt vor der nächsten Landtagswahl einen Aufstand. Dann sind wir als Stimmvieh nämlich wieder gefragt.“