Kontrollierte Offensive

Unter dem neuen Coach Uwe Erkenbrecher gewinnt der VfB Lübeck das Spitzenspiel der Regionalliga Nord gegen den VfL Osnabrück und setzt den geforderten „Meilenstein“ auf dem Weg nach oben

Von ANDREAS BOCK

Als Claus-Dieter „Pele“ Wollitz, Chefcoach des VfL Osnabrück, um kurz nach vier vor die Presse trat und das Spiel gegen Lübeck als ein „gegenseitiges Abtasten“ analysierte, ging ein ungläubiges Raunen durch den Saal. Lübecks Trainer Uwe Erkenbrecher huschte ein Lächeln über die Lippen, er konterte charmant: „Um es mit Otto zu sagen: Das war kontrollierte Offensive.“ Die Lacher waren auf seiner Seite.

Sie haben ihn wieder lieb, ihren Uwe. Klammheimlich hatte er sich vor sechs Jahren aus dem Staub gemacht, als die zweite Bundesliga lockte – der 57-Jährige verließ mitten in der laufenden Saison die Hanseaten in Richtung Fürth. Vor drei Wochen aber kehrte Erkenbrecher unerwartet heim und löste den geschassten Bernd Hollerbach ab. Ein gewagtes Unterfangen, möchte man meinen, hatte Erkenbrecher doch 2.000 eine verunsicherte VfB- Mannschaft und irritierte Anhänger hinterlassen.

Wider Erwarten empfing man den Rückkehrer aber mit offenen Armen, Erkenbrecher gewann seine ersten beiden Partien und die Spieler demonstrierten öffentlich den Schulterschluss: „Es macht wieder Spaß“, berichtete Stürmer Jan Hoffmann. Und nach dem 2:0 am Samstag gegen den bisherigen Tabellenführer aus Osnabrück animierte Mittelfeldspieler Dennis Kruppke die Fankurve zu „Erkenbrecher“-Schlachtrufen.

Jener Kruppke, erst seit Februar bei dem Verein an der Lohmühle, war es auch, der die „kontrollierte Offensive“ eröffnete. Seinen Schuss in der zweiten Minute parierte Osnabrücks Schlussmann Gößling aber noch problemlos. Auch Mittelstürmer Dustin Heun präsentierte sich agil, wenn auch etwas glücklos. Nach zehn Minuten verpasste er eine scharfe Hereingabe, spielte wenig später zwar seine Gegenspieler schwindelig, scheiterte aber an Gößling.

Dessen Vorderleute trabten derweil lethargisch übers Feld, nach 23 Minuten freute sich Osnabrücks Kapitän Reichenberger über seine erste Ballberührung, sie dauerte keinen Augenaufschlag. Wer suchte, konnte auch seinen Sturmpartner Menga entdecken, zumeist dort, wo der Ball nicht war. Immerhin: Wollitz’ „Abtaster“ brachten es nach 45 Minuten auf vier Flanken. Vier Flanken ins Nichts.

In der zweiten Halbzeit das gleiche Bild: Lediglich die fahrlässige Chancenverwertung verhinderte zunächst die Lübecker Führung. Doch nach 64 Minuten wurden die Bemühungen belohnt. Nach einer Flanke von Deniz Dogan konnte der freistehende Kruppke den Ball mühelos aus fünf Metern zum 1:0 verwerten. Der VfL Osnabrück reagierte mit Verlegenheitsangriffen, aus einem resultierte in der 69. Minute beinahe der Ausgleich. Wollitz witterte eine letzte Chance, Nico Frommer kam herein, doch auch der ehemalige Bundesligaprofi fügte sich in die harmonische Ideenlosigkeit ein. Zu allem Unglück überraschte Abwehrspieler Dave de Jong seine Mitspieler sechs Minuten vor dem Abpfiff noch mit einer ungewollten Kopfballvorlage für Dennis Kruppke, der wuchtig aus 17 Metern ins untere linke Eck traf.

Nein, hier sah keiner der 8.200 Zuschauer einen VfL, der um den Aufstieg kämpfte, das war nicht mal taktisches Abtasten. Und das wusste auch „Pele“ Wollitz, der auf der Pressekonferenz doch das letzte Wort hatte: „Wie auch immer, im nächste Spiel gegen Werder Bremen II werden wir einen anderen VfL sehen.“ Das wäre ratsam, sonst könnte die „Mission 2. Bundesliga“ für Osnabrück noch ernsthaft in Gefahr geraten.