Nur Fliegen wäre schöner

BER Kritische Fragen stellt der Guide hier selbst: Im Touristenbus über Deutschlands teuerste Baustelle

Im Terminal brennt tatsächlich Licht, obwohl es dank der Glasfassade taghell ist

Die wichtigste Spielregel schickt Konrad Markgraf* gleich vorweg: „Alle Fragen sind erlaubt. Bis auf eine.“ Verhaltenes Gelächter im Bus. Es ist natürlich die leidige Frage nach dem Eröffnungstermin, die der Tourguide auch heute nicht beantworten kann. Etwa 40 BesucherInnen haben sich am Terminal C des Flughafens Schönefeld für die rund zweistündige Tour über den Großflughafen BER eingefunden. Das Publikum ist überwiegend 50 plus, die Stimmung erinnert an eine Kaffeefahrt. Aber das ist diese Besichtigung natürlich nicht, betont Markgraf. In letzter Zeit habe es vermehrt Beschwerden von Gästen gegeben, die sich statt auf der „BER-Erlebnistour“ auf einer schnöden Verkaufsfahrt wiedergefunden hatten.

Dass unseriöse Anbieter das Konzept Flughafenfahrt missbrauchen, überrascht indes nicht: Das Geschäft mit den BER-Touren boomt. Seit 2006 haben 1,3 Millionen Gäste Deutschlands teuerste Dauerbaustelle besichtigt. Bei einem Ticketpreis von zehn Euro pro Kopf sind das immerhin schon rund 13 Millionen Euro, die der Flughafen noch vor seiner Eröffnung eingenommen hat. Zum Vergleich: Rund 40 Millionen Euro verschlingt die Baustelle im Monat.

Die Tour beginnt am 32 Meter hohen Infotower, von wo aus man das gesamte Flughafengelände überblicken kann. Nebenan in Schönefeld landen die Billigflieger. Markgraf, Anfang 30, hellblaues Hemd und Dreitagebart, erklärt mit leichtem Berliner Dialekt die Ausmaße des Flughafens in spe: zwei Start- und Landebahnen, Terminalgebäude, Betriebsgebäude, alles auf 960 Hektar, ausgelegt für 27 Millionen Passagiere jährlich. Fehlen nur noch die Flugzeuge.

Kritische Nachfragen stellt der Guide lieber gleich selbst: Ja, es könne schon sein, dass der Flughafen zu klein ist für das steigende Passagieraufkommen in Berlin, aber „dass ist ja erst mal positiv“ – er meint die wachsenden Besucherzahlen. Man könne einen Flughafen auch „überkapazitär“ betreiben, und es gebe die Idee, den alten Flughafen Schönefeld als zweites Terminal zu nutzen, „fertig ist er ja schon.“

Auch auf dem BER ist schon so einiges fertig. „Überraschend“, findet das eine ältere Dame aus Moabit, die an der Tour mit ihrem Enkel teilnimmt. Der hatte im Fernsehen gesehen, dass auf dem Berliner Problemflughafen immer das Licht brennt, weil angeblich niemand weiß, wo der Lichtschalter ist. Das wollte er sich unbedingt ansehen. Im Terminal brennt dann tatsächlich Licht, obwohl es dank der Glasfassade taghell ist. „Eine Anspielung an die Weite der brandenburgischen Landschaft“, erklärt Konrad Markgraf. Der Sandstein der Bodenfliesen komme aus der Region, die Nussholzvertäfelung in der Ankunftshalle stehe sinnbildlich für die märkischen Wälder. „Architektonisch ganz ästhetisch“, schwärmt der Guide.

Der Ästhetik ist offenbar auch die größte Baustelle auf der Baustelle geschuldet: die Entrauchungsanlage. Weil man keine hässlichen Schornsteine auf dem flachen Dach des Terminalgebäudes haben wollte, sollte der Rauch im Brandfall durch Tunnel abgeleitet werden. „Weltweit einmalig“, wie der Guide erklärt – leider funktioniert die Technik nicht. Die Diskussion darüber langweile ihn ein bisschen, sagt er, „viele Fragen sind problemorientiert. Wir sind lösungsorientiert.“ Konkret heißt das, man suche momentan den Fehler nach dem Trial-and-Error-Prinzip.

Als alle Gäste wieder in den Bus gestiegen sind, erklärt Klaus Wowereit gerade im Radio seinen Rücktritt vom Amt des Regierenden Bürgermeisters: „Eine der größten Niederlagen ist in der Tat die nicht zeitgerechte Eröffnung des BER“, so der Aufsichtsratsvorsitzende auf Abruf. Zum Abschied wünscht er dem Projekt eine baldige Fertigstellung. „Na denn jeht’s ja endlich voran hier“, ruft ein älterer Herr durch den Bus. FELIKS TODTMANN

* Name geändert

■ BER-Erlebnistouren – auch nachts, auf Englisch oder mit dem Fahrrad – können unter www.berlin-airport.de gebucht werden