„Arbeitslose brauchen mehr Hilfe zur Selbsthilfe“

WAHLINTERVIEW Die Thüringer Arbeitsloseninitiative fordert einen öffentlich geförderten Sektor

■ 55, ist seit 1992 Geschäftsführerin der Thüringer Arbeitsloseninitiative – Soziale Arbeit e. V. Diese organisiert das zweimal im Jahr tagende Arbeitslosenparlament.

taz: Frau Schindler, gehen Sie wählen?

Ingrid Schindler: Ich gehe selbstverständlich wählen, und ich rufe die Menschen im Land dazu auf, dies auch zahlreich zu tun.

Was erwarten Sie von der Landtagswahl?

Dass es eine Verbesserung der Situation für die langzeitarbeitslosen Menschen im Land geben wird und dass wir den hohen Sockelbetrag an Langzeitarbeitslosen mit einem arbeitsmarktpolitischen Programm abbauen können. Und ich erwarte, dass wir etwas gegen die fortschreitende Armut tun.

Was sind Ihre Vorschläge zur Bekämpfung dieser Probleme?

Wir brauchen nach wie vor einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt unter Beteiligung von Politik und Wirtschaft. Und zwar so lange, wie die Wirtschaft nicht in der Lage ist, den Menschen im Land genügend Arbeit zu verschaffen. Die Menschen in Thüringen wollen arbeiten und damit sich und ihre Familie ernähren. Wenn eine Arbeitsmarktpolitik wie bisher nur punktuell gegeben ist, kann die gesamte Entwicklung nicht verbessert werden. Die neue Landesregierung sollte sich also für ein neues arbeitsmarktpolitisches Modell einsetzen. Das wäre ein Fortschritt.

Und was haben die derzeitige und die Vorgängerregierungen falsch gemacht?

Es gab in den vergangenen Jahren eine Umschichtung der Mittel für die öffentlich geförderte Beschäftigung. Hier wird nicht ausgewogen und an den Notwendigkeiten orientiert gehandelt. Zwar wird beispielsweise über den europäischen Sozialfonds in Bildung investiert. Doch was bringt die Bildung, wenn es danach für die Menschen keine Arbeit gibt? Da nützen auch die ganzen Bewerbungstrainings nichts.

Was sind denn weitere Probleme des Landes?

Mit der steigenden Zahl an Langzeitsarbeitslosen wächst die Armut, nicht nur landes-, sondern auch bundesweit. Das hat mit den Hartz-Gesetzen zu tun. Wir als Vertreter der Arbeitslosen in Thüringen verlangen, dass der Regelsatz an der Grundsicherung auf 500 Euro angehoben wird, um Menschen ohne Arbeit eine bessere Sicherung des Lebensunterhalts zu bieten.

Und wen wählen Sie?

Das verrate ich nicht. Meine Stimme bekommt die Partei, die sich am besten für Menschen einsetzt, die Hilfe zur Selbsthilfe brauchen. Da bleibt ja nicht mehr so viel übrig, oder?

INTERVIEW: GIL SHOHAT