Scharia-Polizeieinsatz empört Politiker

EXTREMISMUS Salafisten filmen sich bei dem Versuch, Muslime den rechten Weg zur Religion zu zeigen. Bundesjustizminister Heiko Maas will das nicht dulden. Wuppertaler Polizei bittet Bürger um Mithilfe

„Wir wussten, dass das polarisierend wirken wird“

SALAFIST SVEN LAU

AUS KÖLN ANJA KRÜGER
UND PASCAL BEUCKER

Die Aufregung ist groß, der PR-Coup gelungen. „Fünf Männekes haben sich eine Weste angezogen – und ganz Deutschland steht auf dem Kopf“, spottet Sven Lau. Auf den orangen Westen, mit denen der 33-jährige Niederrheiner und seine salafistischen Kumpel in der vergangenen Woche durch Wuppertal stromerten, stand groß „Shariah Police“. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft. Politiker fordern ein Verbot.

Es war eine gezielte Provokation. Am vergangenen Mittwoch zog eine Gruppe von insgesamt elf Salafisten im Stadtteil Elberfeld vor Diskos und Spielhallen, um Jugendliche, die sie als muslimisch identifiziert hatten, mit Nachdruck auf den „rechten Weg“ zu bringen. Dabei filmten sie sich. Ob es weitere Auftritte der Truppe gab, blieb am Sonntag unklar. „Klar, das war sehr provokant“, sagt Lau in einer Videobotschaft zu der Aktion. „Wir wussten, dass das polarisierend wirken wird.“ Der Hintergrund: Offensichtlich wollte die Truppe so auf ihr neues Wuppertaler Zentrum, die im Mai eröffnete Darul-Arqam-Moschee, aufmerksam machen.

„Vergleichbare Vorfälle hat es bisher nicht gegeben“, sagte ein Mitarbeiter der Wuppertaler Polizei der taz. Die Polizei hat eine Hotline geschaltet, an die sich BürgerInnen mit strafrechtlich relevanten Informationen wenden sollen. Ob Anzeigen gegen die Salafisten-Gruppe etwa wegen Nötigung eingegangen sind, ist bislang unklar.

Die salafistische Szene gilt als die am dynamischsten wachsende ultraorthodoxe Strömung im Islam. Sie orientiert sich an einer stark idealisierte Frühzeit des Islam und predigt eine wortgetreue Ausrichtung an Koran und Sunna. Die Salafisten unterteilen die Menschen strikt in Gläubige und Ungläubige, lehnen die Demokratie und alle „von Menschen gemachten“ Gesetze ab.

Etwa 10 Prozent werden dem Bereich des besonders gewaltbereiten dschihadistischen Salafismus zugerechnet. Die Wuppertaler Gruppe um den Konvertiten Sven Lau gehört allerdings nicht dazu. Sie lässt sich in die Kategorie „politischer Salafismus“ einordnen. Wobei die Übergänge mitunter fließend sind.

Auf die selbsternannten Tugendwächter im Einsatz waren echte Ordnungshüter zufällig gestoßen, heißt es bei der Polizei in Wuppertal. Die Beamten nahmen die Personalien der elf Männer im Alter von 19 bis 33 Jahren auf. Lau und seine Kumpanen sehen sich jetzt mit einem Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz konfrontiert. Grundlage ist ein Passus, der bei Versammlungen das Tragen von Uniformen oder uniformähnlicher Kleidung verbietet.

Der Auftritt der „Shariah Police“ sorgt mittlerweile bundesweit für Aufregung. Von einem „Anschlag auf unser freies Lebensmodell“, sprach Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). „Eine illegale Paralleljustiz werden wir nicht dulden“, sagte er. In der Bild-Zeitung empörte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU): „Niemand darf sich anmaßen, den guten Namen der deutschen Polizei zu missbrauchen.“ Unionsfraktionschef Volker Kauder fordert in der Welt am Sonntag, ein Verbot der „vermeintlichen islamischen Tugendwächter“ zu prüfen.

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), der zurzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist, hält davon nicht viel. „Gesinnung kann man nicht verbieten“, sagte sein Sprecher Jörg Rademacher der taz. Die Aktion der Wuppertaler Salafisten werde aber sehr ernst genommen. „Es ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, wenn sich jemand Polizeihoheiten anmaßt.“

Innenminister Jäger hat die Sicherstellung der „Shariah Police“-Westen verfügt. Im Fall einer Wiederholung der Aktion sollen die Beamten sie umgehend einkassieren. Doch dazu dürfe es vorerst wohl nicht kommen. „Die Shariah-Polizei hat es einmal hier für ein paar Stunden namentlich hinten auf einer orangen Weste gegeben, aber sie hat nie wirklich existiert“, behauptet Lau in seiner Videobotschaft.