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: KATHARINA HEIMEIER über die gestörte Harmonie im Dorf

Grevenbrück ist die Gemeinde mit der vermutlich höchsten Dichte von Chören pro Einwohner. Sogar die BILD-Zeitung berichtete schon über das Sänger-Mekka im Sauerland, erzählt man dort stolz. Sieben Chöre gab es bislang in dem 3.840-Seelendorf im Kreis Olpe. Doch als jetzt vor kurzem der Chor Gaudium als Nummer acht dazu kam, wurde es selbst den alteingesessenen Musikfreunden in dem Ort zu bunt. „Sängerstreit im Sängerdorf“ titelte da die Westfälische Rundschau.

„Wir sind in Grevenbrück schon so viele“, klagt Johannes Rosenberger. Er ist Vorsitzender des Gemischten Chores Concordia Grevenbrück, der seit dem Jahre 1860 besteht. Über die Gründung von Gaudium im Dezember vergangenen Jahres habe man sich „ein bisschen aufgeregt“, sagt Rosenberger. Karl-Heinz Heinrichs vom Männergesangverein (MGV) Grevenbrück findet deutlichere Worte: „Der Frust war groß.“ Ihn trifft die neue Konkurrenz besonders hart, denn auch Gaudium ist ein reiner Männerchor. Inzwischen hat er resigniert. „Wir können es ja ohnehin nicht verhindern.“

Es ist der Nachwuchs, der den etablierten Chören Sorgen macht. Zwei 80. und einen 75. Geburtstag müsse er diesen Monat besuchen, berichtet Heinz Föhres vom Kirchenchor. „Als Vorsitzender wäre ich lieber zu einem 40. Geburtstag gegangen.“

Da wird er neidisch auf den neuen Chor Gaudium blicken. 25 aktive Sänger zählt man dort inzwischen. Der Altersdurchschnitt liegt bei Mitte 20. „Wir haben regen Zulauf“, sagt David Löher, der bei Gaudium singt. Früher war er im MGV. Aber: „Das passte zwischenmenschlich nicht mehr“, formuliert er diplomatisch. Für den Zulauf bei der Neugründung habe nicht zuletzt die Berichterstattung in den Zeitungen gesorgt. „Ein Chor zu viel ist schlecht für die Harmonie“, hieß es da. Und: „Gaudium spaltet das Chorwesen.“

Für Unruhe sorgte beispielsweise die Ankündigung von Gaudium, den Tanz in den Mai in der Schützenhalle Sporke zu veranstalten. „Da gibt es schon eine alteingesessene Veranstaltung vom Musikverein“, sagt Kirchenchor-Chef Föhres. Inzwischen habe sich allerdings herausgestellt, dass die Gaudium-Fete abgesprochen sei.

Die Gaudium-Sänger lassen sich von dem Wirbel um sie nicht beeindrucken. „Wir sehen das ganz gelassen“, sagt Löher. Und überhaupt: „Wir sind gar kein Grevenbrücker Chor.“ Aus dem ganzen Kreisgebiet kommen die Sängerfreunde, lediglich der Treffpunkt, der katholische Kindergarten, liegt in Grevenbrück.

Solche Argumente beeindrucken die traditionsreiche Konkurrenz offensichtlich nicht. Vertreter des Kirchenchores, des Männergesangvereins und von Concordia trafen sich jüngst zum Krisengipfel. Dort besprachen sie das weitere Vorgehen. So soll es in diesem Jahr ein gemeinsames Konzert ihrer drei Chöre geben. Auch mit den Leuten von Gaudium wollen sie sich bald treffen. Mit Schlagzeilen wollen die Traditionssänger aber nichts mehr zu tun haben. Man wolle die Geschichte nun „zur Ruhe kommen lassen“, sagt Concordia-Vorsitzender Rosenberger.