Im Herzen Hamburgs

„Eine Vision wird Wirklichkeit“. Pünktlich zur Grundsteinlegung legt der Hamburger Architekturjournalist Till Briegleb das erste Buch über die Elbphilharmonie vor

Die Elbphilharmonie soll Hamburg ein neues Wahrzeichen bescheren. In den Augen des Architekturjournalisten Till Briegleb ist das geplante Konzerthaus zunächst allerdings etwas anderes: ein „Denkmal für eine untergegangene Kultur“. Schließlich entsteht die Elbphilharmonie da, wo früher das Herz der Hansestadt schlug – im Zentrum des ursprünglichen Hamburger Hafens. Wie dieser sich seit dem 12. Jahrhundert entwickelt hat, das zeichnet Briegleb anschaulich in seinem Buch über die Elbphilharmonie nach.

Besonders im Blick hat er natürlich jenen geschichtsträchtigen Ort, wo der neue Kulturtempel mitsamt Luxuswohnungen und Fünf-Sterne-Hotel sich erheben wird – nämlich auf dem Gebäude des Kaispeichers A. „Ganz früher ist hier sumpfiges Wiesenland gewesen. Da haben Kühe gegrast“, erzählt Briegleb. „Als dann im 19. Jahrhundert der Hafen modernisiert wurde, hat man die Kaianlagen gebaut und mit dem Kaiserspeicher einen der damals weltweit größten Speicher überhaupt.“ Durch den Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs zerstört, wich der kathedralenartige Kaiserspeicher in den 60er-Jahren dem schmucklosen Kaispeicher A nach Entwürfen von Werner Kallmorgen. Historische und aktuelle Bilder und Aufnahmen ergänzen Brieglebs Gang durch die Hafengeschichte. So interessant die einzelnen Bestandteile des Buches sind – leicht gemacht wird es einem nicht: Dem Text fehlen Zwischenüberschriften; es gibt kein Inhaltsverzeichnis; die Fotostrecken unterbrechen den Text mitten in Worten, und die Bildunterschriften finden sich hinten im Anhang.

Doch es lohnt sich, nicht aufzugeben und weiterzulesen. Till Briegleb schlägt immer wieder auch kritische Zwischentöne an. So wenn er die vielbeschworene Umwegrentabilität hinterfragt, also jene Argumentation, die millionenschwere Beteiligung der Stadt am Bau der Elbphilharmonie werde sich durch Touristenströme und dadurch steigende Einnahmen refinanzieren. In diesem Zusammenhang fällt gerne das Stichwort „Bilbao-Effekt“ mit Blick auf das architektonisch spektakuläre Guggenheim Museum in Bilbao: Die Baukosten sollten sich durch Besucherandrang amortisieren.

Eine Studie im vergangenen Jahr hat das widerlegt, weiß der Hamburger Journalist: „Die Behauptung, dass das automatisch in einer relativ kurzen Zeit passieren würde, die lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Die laufenden Betriebskosten des Museums sind sehr hoch. Und außerdem, wie will man nachweisen, dass Touristen nur wegen eines Gebäudes eine Stadt besuchen.“ Das werde in Hamburg in Sachen Elbphilharmonie nicht anders sein, glaubt Briegleb. „Doch entscheidend ist das nicht!“ Für ihn ist ohnehin klar: „Man braucht so ein architektonisch faszinierendes Gebäude wie die Elbphilharmonie für die Einwohner Hamburgs, für deren Identitätsgefühl und das Selbstbewusstsein in der Stadt.“ DAGMAR PENZLIN

Till Briegleb, Oliver Heissner u. a. (Bilder): „Eine Vision wird Wirklichkeit. Auf historischem Grund: Die Elbphilharmonie entsteht“. Murmann Verlag, Hamburg 2007, 120 Seiten, 22 Euro