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INTERNET-VOTING Bei ZDFneo entscheidet nun der Zuschauer, was künftig gezeigt wird

Es gärt nicht nur. Nein, beim ZDF schäumt und spritzt es momentan nur so vor lauter Innovation und Tatendrang. Crossmedial, sozialmedial und interaktiv soll der Altersdurchschnitt wieder unter die 60er Marke gelockt werden. Wild und mit Verve soll die Jugend zu einer kleinen Testfahrt auf das Traumschiff gelotst werden. Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll, oder wie der Intendant Markus Schächter zu sagen pflegt: „Indie-Pop, Indie-Rock und Heavy Metal.“

In Hamburg hat Schächter diese Woche zusammen mit Programmdirektor Thomas Bellut und Chefredakteur Peter Frey die Pläne für die kommende Saison vorgestellt und unter Beweis gestellt, dass das ZDF auch ernsthaft gewillt ist, Neuerungen auszuprobieren. Erst letzte Woche hat man mit der Serie „Wer rettet Dina Foxx“ im Hauptprogramm den Versuch gestartet, ein neues Format crossmedial, zwischen interaktiver Schnitzeljagd im Internet und herkömmlichem Fernsehen, zu etablieren. Diese Woche also gleich der nächste Hammer: Bei ZDFneo soll künftig der Zuschauer über neue Formate mitbestimmen. Unter dem Projekt „TV Lab“ sollen Ende August eine Woche lang, acht bis zehn Pilotfilme aus eigener Produktion zu sehen sein und das Publikum per Abstimmverfahren im Internet über das weitere Schicksal der entwickelten Formate entscheiden dürfen. Zwei bis drei Favoriten sollen dann in Serie gehen. Ziel sei es „eigene Formate zu entwickeln“, so Frank Zervos, Projektleiter von TV Lab, und nicht einfach aus dem Ausland zu abzukupfern. Die Idee für das TV Lab kommt blöderweise trotzdem aus Holland.

Was Zervos durchaus bescheiden als „Innovationswoche“ betitelt, bringt allerdings die Bedeutung dessen kaum zur Geltung. Direkte Demokratie heißt hier das Zauberwort und holt nun also endlich den Bürger mit ins Boot der Entscheidungsfindung. Auf dass er sich bloß nicht zu einem Wutbürger wandle und auf einmal über den neuen Thomas Gottschalk mitbestimmen will.

MAX BÜCH